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Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber)

Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber)

Titel: Atmen – ein lebendiges Geschehen (Gralsverlag Ratgeber)
Autoren: Susanne Barknowitz
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Patientin berichtet, daß sie abends sehr schwer einschläft. Sie versucht, sich einzureden, daß sie nun endlich Ruhe hat und nichts mehr tun und denken muß; doch das gelingt ihr nicht. Sie fühlt sich eng, verkrampft, ruhelos und wacht am nächsten Morgen in demselben Zustand wieder auf, in der Regel mit vermehrten Schmerzen im Rücken und Schulterbereich.
    Wunsch und Vorstellung reichen also nicht aus, diesen quälenden Zustand zu ändern. Die Leidende muß selbst etwas tun, muß selbst versuchen, einen Wandel herbeizuführen – ihr stehen dazu mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als sie annimmt.
    Normalerweise spüren wir unseren Körper nur, wenn er sich extrem bemerkbar macht, etwa durch Schmerzen. Mit Hilfe der Nerven, des Tastsinnes sind wir in der Lage, tief in unseren Körper und die organischen Vorgänge hineinzuspüren und Zusammenhänge wahrzunehmen, wenn wir uns Zeit und Ruhe dazu nehmen.
    Mit der erwähnten Patientin erarbeite ich folgende Übung:
    Sie liegt in Rückenlage auf der Behandlungsliege. Zunächst fühlt sie sich wie immer, weiß nichts mit ihrem Körper anzufangen. Sie spürt ihn kaum. Ich fordere sie auf, in ihren rechten Fuß hineinzuspüren, die Berührung mit der Liege wahrzunehmen, sich bewußtzumachen, daß die Liege sie trage und daß sie das Gewicht des Fußes abgeben könne. Auf diese Weise gehen wir einen Bereich nach dem anderen im ganzen Körper durch, bis sie bewußt wahrnimmt, daß der ganze Körper getragen wird und sie ihr Eigengewicht abgeben kann. In demselben Maße, wie ihr das gelingt, braucht sie selbst nicht festzuhalten. Das ist ein Naturgesetz.
    Was zu Anfang noch schwerfällt, gelingt allmählich immer besser – durch innere Sammlung . Mit dieser Sammlung sind bewußte Anwesenheit und Hingabe zugleich gemeint. Würde sie während der Übung, was auch manchmal vorkommt, mit ihren Gedanken woanders sein, nicht realisieren und umsetzen, was ich ihr anbiete, geschähe kaum etwas, sie würde nach der Übung keine Wirkung wahrnehmen. Ist sie aber ganz bei der Sache, das heißt, nicht nur mit den Gedanken, sondern mit ihrer ganzen Persönlichkeit, in einem inneren Hinlauschen zu der betreffenden Stelle, so stellt sich verblüffende Wirkung ein. Das Getragensein wird bewußt erlebt, es ist ja Realität, Gesetz.
    Und dieses Erleben schafft die Brücke zum Geist. Nach und nach löst sich das Festhalten, der Körpertonus verändert sich, nimmt über die Sammlung den idealen Tonus an, der weder Überspannung noch Erschlaffung meint, sondern Grundlage sowohl zur Ruhe als auch zu gesunder Aktivität bildet. Die Körperwände werden weiter, es entsteht auf diese Weise ein inneres Raumgefühl, und der Atem bewegt sich als Folge davon freier und tiefer durch den ganzen Körper. Gedanken ordnen sich, manchmal verschwinden sie sogar ganz, und auch das Gemüt wird erreicht, Stimmungen ändern sich. Das alles geschieht natürlich in der Regel nicht gleich beim ersten Mal, sondern es ist ein Entwicklungsprozeß.
    Erst im bewußten Erleben des Getragenseins kann ich wirklich loslassen, und dieses Loslassen ist kein körperlicher Vorgang, es zeigt sich nur im Körper, ist aber von seelischer Qualität.
    In diesem Daseinszustand kann sich der Mensch leichter öffnen. Mit der natürlichen Lockerung des Körpers wird auch rückwirkend das Geistige in uns freier und damit die Aufnahmefähigkeit für Geistiges verstärkt, die Sehnsucht danach erwacht.
    Ein weiteres Beispiel: Ein Patient sitzt in guter Haltung (vgl. Kapitel „Körperhaltung“) auf dem Hocker. Ich sitze seitlich neben ihm und lege meine Hand auf sein Kreuzbein. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn wir beide nicht ganz bei der Sache sind, ist im nachhinein für den Patienten keine Veränderung zu spüren, eventuell ein wenig Wärme durch das Handauflegen. Bin ich ganz gesammelt, der andere aber nicht, so tut sich auch wenig. Ich spüre, daß der andere abwesend ist. Es fühlt sich seltsam leer an unter der Hand. Erst wenn die Sammlung beider vorhanden ist, stellen sich deutliche Reaktionen ein. Manchmal geht ein leises, nachgebendes Rucken durch den Körper.
    Sowohl meine Hand als auch der Kreuzbeinbereich des anderen werden immer wärmer. Und allmählich schwingt eine feine Bewegung durch das Kreuzbein bis zu meiner Hand – die Atembewegung. Zu Anfang, wenn der andere noch ungeübt ist in der Wahrnehmung, bleibt die Atembewegung so fein, daß er sie selbst noch nicht bemerkt. Mit zunehmendem Vertrautwerden und
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