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Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Titel: Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
Autoren: Hans Kneifel
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Anschlag auf.
    »Aber nicht heute«, sagte er, nahm gähnend die Brille ab und zog langsam Jacke und Hemd aus. Als er vor dem Spiegel der Hygienekabine stand, den Zopf aufknotete und sich mehr als einen flüchtigen Blick gönnte, zuckte er mit den Schultern und sprach leise weiter: »Erfahrung geht über Schönheit, Tristan, und Olgej sieht dich ohnehin nicht an.«
    Ihm stand ein magerer, zart gebauter, aber fast zwei Meter großer junger Mann gegenüber, von dunkler Hautfarbe, der am ganzen Körper von den hellen Flecken einer angeborenen Pigmentstörung wie ein Leopard gescheckt war. Über den schwarzen Augen des schmalen Gesichts hoben sich, als wären sie Beweis für seine ständige Neugierde und sein Erstaunen über den Zustand der Welt, hochgezogene dünne Augenbrauen. »Wie missratene Fühler eines Schmetterlings«, hatte Olgej sie einmal bezeichnet.
    Obwohl weder Li noch ein anderer Bewohner des Hauses – offiziell als Hausbesetzer bezeichnet – auch nur einen Solar Miete zahlten, wurden sie mit Energie und sogar Heißwasser versorgt. Ein Zugeständnis der Verwaltung, um offenen Streit mit den Bewohnern zu vermeiden. Zwar wurde schon lange nichts mehr repariert, aber die Dusche und alle anderen Einrichtungen funktionierten leidlich. Über Balkone und offene Fenster und aus wenigen Dachluken drangen Gerüche, Gelächter, kryptische Arbeitsgeräusche und Musik ins Freie; viel Musik, schrill und mitunter selbst produziert, selten melodisch, aber stets mit erheblicher Lautstärke. Irgendwo schrien Säuglinge, ein Hund, etwa auf der 21. Ebene, kläffte verzweifelt.
    Li war diese Dauergeräusche gewohnt. Er wartete, bis sein langes Haar getrocknet war und kroch ins ungemachte Bett. Auch während des Einschlafens nahm er die Laute der Umgebung wahr. Das Haus hatte seit vielen Jahren ein Eigenleben entwickelt: Die Bodenheizung gab in unregelmäßigem Takt kurze Pfeiflaute von sich. In der Belüftungsanlage, die jeden Ton, den ihr Luftstrom transportierte, zur Unkenntlichkeit verzerrte, fauchte und zischte etwas Unbekanntes. Hin und wieder fuhr glockenschlagähnliches Dröhnen durch irgendwelche Rohre, und in den Mauern ächzten Verstrebungen, Drähte, Kabel oder Leitungen. Aus einigen Fenstern gaben Bewohner mit ihren Stunnern Schüsse auf gurrende Tauben ab. Kreischende Mauersegler jagten Wandwürmer in den Innenhöfen. Die Gesamtheit dieser Kakophonie machte Li binnen weniger Minuten schläfrig. Sein Schnarchen wurde zum Bestandteil der Geräuschkulisse.
    Haus Nummer 117, Mailo Road, war nur eines in diesem desolaten Zustand. 97 andere Bauten östlich des Sirius River – höhere Türme, breite, lang hingestreckte Riegel, einzeln stehende und miteinander verbundene Blöcke, getrennt durch schmale Gassen und um Plätze gegliedert – waren zumeist nach den Verwüstungen der Dolan-Angriffe erbaut worden und Sie waren somit älter als sechseinhalb Jahrhunderte; baufällige Beweise für die Qualität damaliger Schnellarchitektur. Tristan Li kannte nahezu jeden Winkel dieses Viertels bis hinunter in die tiefsten Fundamente und weiter in die Kanalisation und die Regenwasserauffangbecken. Er liebte dieses Viertel, an dessen salpeterüberkrusteten Sockeln unzählige Hunde seit tausend Jahren die Hinterbeine gehoben und die Gebäude mit ihrem Urin getränkt hatten. Er kannte viele Geheimnisse Kunshuns und träumte regelmäßig davon.
     
     
    Der Keim und der Begriff der – noch – nicht gewalttätigen Unruhen in Kunshun lag, genau genommen, einige Jahre zurück. An Hunderten Stellen im Kern und an der Peripherie Terrania Citys brach auf Anordnung der Stadtverwaltung, unterstützt von Rhodan und finanziert von Homer G. Adams’ General Cosmic Company, planmäßige Bautätigkeit aus. Neue Prachtbauten entstanden, Straßen und Plätze wurden verbreitert und verschönt, alte, heruntergekommene Bauwerke abgerissen oder aufwendig saniert. Die meisten Vorhaben wurden von der Bevölkerung begrüßt.
    Zu einer der wichtigsten Planungen zählte die Thora Road, die zwar außerhalb des Inneren Stadtkreises lag, aber schon immer die Pracht- und Vorzeigeallee gewesen war. Hier plante die Administration in planetarer Größe. Das städtebauliche Juwel Terrania sollte noch prächtiger funkeln und jeden Bewohner und jeden Besucher faszinieren.
    Die Pläne sahen vor, die Thora Road in ihrem westlichen Teil großräumig auszubauen. Die Raumflughäfen wollte die Administration durch unterirdische Container-Straßen verbinden, um den
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