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Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht

Titel: Atlan 07 - Illochim 01 - Das Relikt der Macht
Autoren: Hans Kneifel
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bis er wieder der Alte war.

 
    Kapitel 1
     
     
    2. April 3103
     
    Tristan »Randonare« Lis Blicke verloren sich am Horizont, in den langgezogenen Wolken des beginnenden Sonnenaufgangs. An den Blattspitzen und Blüten der mächtigen Bäume unter ihm glitzerten im ersten, vagen Licht schwere Tautropfen. Li saß auf der obersten Brüstung des Cadwallader-Observatoriums, am Rand der Kuppel. Das Bauwerk war entkernt und wurde nicht mehr benutzt. Der Ausblick über einen großen Teil Terrania Citys war grandios.
    Das Observatorium, dessen halbkugeliges Dach sich hoch über die Kuppe des Lärmschutzwalls erhob, war einer von Lis Lieblingsplätzen. Es entstammte der Zeit, in der um den Terrania Space Port der riesige Lärmschutzwall aufgetürmt worden war. Hier konnte er sich entspannen, hier sah er jagende Falken und Bussarde; von seinem Platz aus war sein Problem nicht zu erkennen.
    Li hob den Kopf, zupfte den Zopf zurecht und blinzelte. Er hielt sich mit seinen zweiundzwanzig Jahren für einen Mann der Vernunft und des Kompromisses, aber in seinem Inneren glühte der Widerstand. Was sie vorhatten, war ungerecht. Unfair und überflüssig. Im Osten, wo die Sonne über den Schutzwall des Atlan Space Port stieg, startete ein Raumschiff senkrecht in den Himmel über der Wüste Gobi. Es war windstill, wie meist um diese Stunde. Vor weniger als drei Jahrtausenden, dachte er, führte hier die berühmte Seidenstraße hindurch, deren überladene Händlerkarawanen seltsame, längst vergessene Kulturen und Zivilisationen miteinander verbunden hatten.
    »Silk Road«, murmelte er und seufzte leise. Seine innere Unruhe schien vergangen zu sein. Er summte ein paar Takte der Kitaro-Melodie. Ein Möwenschwarm stob vom Flussufer auf, winzig, wie ein Staubwölkchen. »Vielleicht dort, wo jetzt die Thora Road verläuft?«
    Die breite Prachtstraße, eine der längsten der Stadt und die bedeutendste Ost-West-Spange, verband die Raumhäfen Academy Port, Terrania Space Port und Crest Space Port im Westen mit dem Zivilhafen Atlan Port. Die Sonne blendete ihn, indem sie die Ostfronten sämtlicher hohen Gebäude der Stadt erstrahlen ließ. Ein zweites großes Kugelschiff, dessen Triebwerkslärm noch nicht zu hören war, startete vom Atlan Space Port. Terrania City erwachte. Gleiter rasten, unhörbar in dieser Höhe, auf den Flugschneisen in beide Richtungen. Li schloss die Augen und dachte an Olgej, seine Freundin. Eine bizarre Freundschaft, fast eine Art Abhängigkeit. Li hasste sich wegen dieser Schwäche und Olgej wegen ihrer Verweigerung.
    Er fühlte die Wärme der Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht und den Händen, mit denen er seine Knie umklammert hielt. Der Tau auf den Blättern und Gräsern hatte sich aufgelöst. Die Thora Road, weit unter ihm, deren gesamte Breite den Lärmschutzwall auf etwa zehn Kilometer Länge durchschnitt, belebte sich mehr und mehr. Li fühlte sich wieder, als säße er auf dem Rand eines riesigen Kraters, der seit einem Jahrtausend von rätselhaften Gewächsen überwuchert worden war, und in dem sich zahlreiche Hohlräume verbargen.
    Tristan Li gähnte und versuchte, Einzelheiten des Bezirks Kunshun zu erkennen, dem Stadtviertel, das seine Heimat darstellte. Von hier aus sah er nur eine amorphe Anordnung von Gebäuden im morgendlichen Dunst. Überdies blendete ihn die Sonne, deren Strahlen das Wasser des Sirius River in raues Silber verwandelten. Schwalben oder Mauersegler umschwirrten die Kuppel mit kurzen, gellenden Schreien. Li liebte diesen Anblick. Aber die vordergründige Schönheit dieses Morgens, aller Morgen –, Tage und Abende, konnte die Wunden und Narben, Probleme, brennenden Fragen und die gärende Unruhe nicht übertünchen. Der gefährliche Streitpunkt hatte einen Namen: Thora Road.
    Im Viertel Kunshun, östlich des Sirius River, kochte die Volksseele und artikulierte sich im Begriff MEINLEID. Li war einer aus dem Volk, einer der Verantwortlichen MEINLEIDS, einer der Widerständler dieser antiimperialistischen Bewegung.
    Seine Gegner waren, indirekt oder direkt: Perry Rhodan, Homer G. Adams und dessen Finanzimperium, Terrania Citys Stadtplaner, die Banken und Architekten und alle anderen, die sein Stadtviertel verändern, verschönern oder ganz abreißen wollten. Wieder gähnte er. Er spürte die Müdigkeit einer durchwachten Nacht.
    Er stand auf, balancierte neben der Brüstung zu seiner verrosteten Airjet, die an den Klettereisen der Kuppel lehnte. Die Satteltaschen aus zerschlissenem
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