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Atemlos

Titel: Atemlos
Autoren: Bagley Desmond
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sein Vater drauf. Und lauter Flugzeuge – diese altmodischen Dinger, wie aus dem Ersten Weltkrieg.«
    »Doppeldecker?«
    »So mit vielen Flügeln«, sagte sie unbestimmt. »Ich kenn mich da nicht so aus, mit Flugzeugen. Auf jeden Fall waren es keine Düsenflugzeuge, die man heute sieht. Und von seinem Vater hat er mir alles erzählt. Oft! Das muß wohl ein Held gewesen sein. Und berühmt war er ja sicher auch, wenn da so viel in den Zeitungen stand, über ihn. Aber mit der Zeit hab' ich natürlich nicht mehr richtig hingehört und hab' ihn nur reden lassen. Aber sein Vater ist betrogen worden, glaube ich. Jedenfalls hat er sich immer so ausgedrückt, daß sie ihm übel mitgespielt hätten, seinem Vater …«
    »Ob ich das Zimmer mal sehen darf, Mrs. Harrison? Das Album würde ich mir auch gern anschauen.«
    Sie zog die Stirn in Falten. »Ich hab' nichts dagegen, aber ob das Album da ist, weiß ich gar nicht so genau. Sonst hatte er es immer auf der Kommode liegen, und letztes Mal beim Saubermachen ist es mir überhaupt nicht aufgefallen.«
    »Ich möchte trotzdem gern das Zimmer sehen.«
    Viel gab es da nicht zu sehen. Eigentlich kein Raum, in dem ein erwachsener Mann seine Freizeit verbringen kann. Nicht ungemütlich, aber unheimlich trist. Das Mobiliar zeigte edwardianische Übergröße, man hätte es auch Birminghamer Barock nennen können, der Teppich war sauber, aber fadenscheinig. Ich setzte mich aufs Bett, und die Sprungfedern protestierten. Ich starrte auf den grauslichen Druck von Holman Hunts Das Licht der Welt, der an der Wand hing, und fragte mich, warum ein Mann mit achttausend Pfund im Jahr in solch einer Höhle lebte. »Das Album«, sagte ich.
    »Es ist weg. Er muß es mitgenommen haben.«
    »Fehlt sonst noch was?«
    »Rasierapparat und Pinsel«, sagte Mrs. Harrison. »Die Zahnbürste, ein paar saubere Hemden, Socken, Kleinkram. Was eben in einen kleinen Koffer paßt. Die Polizei hat eine Liste aufgestellt.«
    »Weiß die Polizei von dem Album?«
    »Das ist mir gar nicht eingefallen!« Plötzlich war sie nervös. »Ob ich das melden muß?«
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Ich melde es schon.«
    »Ich hoffe nur, Sie können Mr. Billson finden, Sir«, sagte sie und zögerte. »Ich mag gar nicht daran denken, daß ihm was passiert sein könnte. Wenn er doch nur geheiratet hätte, damit jemand auf ihn aufpaßt! Seine Schwester ist ja jeden Monat gekommen, aber das ist doch nicht genug …«
    »Er hat eine Schwester?«
    »Nicht richtig. Eine Halbschwester, glaube ich, sie heißt anders. Aber verheiratet ist sie nicht. So einen komischen ausländischen Namen hat sie – ich kann mir den nie merken. Die kommt ab und zu, vielleicht sogar zweimal im Monat und leistet ihm am Abend Gesellschaft.«
    »Weiß sie, daß er verschwunden ist?«
    »Wie soll sie's wissen, wenn die Polizei es ihr nicht gesagt hat? Die Adresse weiß ich nicht, aber sie lebt in London.«
    »Ich werde mich bei der Polizei erkundigen«, sagte ich. »Hatte Mr. Billson keine Freundinnen?«
    »Aber nein, Sir.« Sie schüttelte den Kopf. »Sehen Sie, das Problem ist: Wer hätte ihn schon heiraten wollen? Nicht, daß bei ihm was nicht gestimmt hätte«, sagte sie hastig, »aber irgendwie schienen die jungen Damen nichts an ihm zu finden.«
    Über diesen letzten Satz dachte ich noch nach, als ich zur Polizei ging. Er klang sehr nach einer Grabinschrift.
    Der Wachtmeister namens Kaye nahm die Sache nicht so ernst. »Wenn ein Mann es sich in den Kopf setzt, einfach abzuhauen, ist das ja kein Verstoß gegen die Gesetze«, befand er. »Anders, wenn es sich um ein sechsjähriges Kind handelte, dann würden wir alle Register ziehen. Aber Billson ist volljährig.« Er suchte nach einem Vergleich. »Mir kommt's vor, als wollten Sie sagen, er täte Ihnen auch leid, weil er Waise ist – wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Volljährig mag er ja sein, mit seinen vierundvierzig Jahren«, sagte ich, »aber nach allem, was ich erfahren habe, hat er wohl nicht alle Tassen im Schrank.«
    »Ich weiß nicht«, überlegte Kaye. »Schließlich hat er ja einen gutbezahlten Job bei der ›Franklin-Technik‹ gehabt, das kriegt nicht jeder Idiot. Und auch auf sein Geld hat er gut aufgepaßt, bevor er abgehauen ist. Und auch, als er abgehauen ist.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nun, er hat eine Menge gespart. Sein Girokonto hielt er regelmäßig auf der Höhe eines Monatsgehaltes, und fast zwölftausend Pfund hatte er fest angelegt. Das Ganze hat er Dienstag
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