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Aszendent Blödmann

Aszendent Blödmann

Titel: Aszendent Blödmann
Autoren: Michaela Thewes
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noch einmal liebevoll an sich. »Ach, Süße, was würde ich nur ohne eine Freundin wie dich machen? Aber ganz unter uns: Du lügst lausig.« Sie grinste. »Macht aber nichts. Der gute Wille zählt. Ich freue mich trotzdem über dein Kompliment, auch wenn ich weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Schließlich haben wir Spiegel in unserer Wohnung.« Mittlerweile waren wir im Wohnzimmer angekommen, wo wir uns auf dem flauschigen Teppich, neben Bens Krabbeldecke, niederließen. Nachdem Charlotte ihren Sohn mit einem rasselnden und quietschenden Dinosaurier versorgt hatte, sah sie mich durchdringend an. »Komm, raus damit: Was ist los? Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?«
    Charlotte kannte mich wirklich gut. Ihr konnte ich so leicht nichts vormachen. Froh, mir endlich alles von der Seele reden zu können, schilderte ich in groben Zügen den Ablauf des morgendlichen Meetings bis zu dem Moment, in dem Kai auf der Bildfläche erschienen war.
    »Der Kai Hoffmann?« Charlotte spuckte seinen Namen aus, als spräche sie von einem polizeilich gesuchten Schwerverbrecher.
    »Genau der«, antwortete ich düster.
    »Das gibt’s doch gar nicht.« Charlotte war mindestens ebenso schockiert wie ich.
    »Leider doch.«
    »Und wie hat er auf euer Zusammentreffen reagiert?«
    »Das war ja überhaupt die Krönung.« Ich schnaufte vor Wut. Allein wenn ich nur daran dachte, überkamen mich heftige Mordgelüste. »Der Mistkerl hat mich überhaupt nicht erkannt.«
    »Auch wenn ich Kai ganz bestimmt nicht in Schutz nehmen möchte, aber dass er dich nicht wiedererkannt hat, kannst du ihm nun wirklich nicht vorwerfen. Seit der Sache damals ist viel Zeit vergangen. Er hat dich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Dreizehn«, korrigierte ich, »es ist dreizehn Jahre her, dass wir unser Abi gemacht haben.«
    »Na schön, dann eben dreizehn. Dreizehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit.«
    »Na und!? Mir ist sein Anblick auch dreizehn Jahre lang erspart geblieben. Und trotzdem habe ich ihn sofort wiedererkannt.«
    »Das ist ja wohl etwas völlig anderes«, widersprach Charlotte. »Du hattest damals fast zwanzig Kilo mehr auf den Rippen. Abgesehen davon warst du während unserer Schulzeit noch nicht blond.«
    Meine Freundin rappelte sich vom Fußboden hoch und blieb suchend vor dem Bücherregal stehen. Schließlich kehrte sie mit einem Fotoalbum zu mir zurück, das der dicken Staubschicht nach zu urteilen längere Zeit nicht mehr hervorgeholt worden war. »Hier müsste auch mal wieder geputzt werden.« Nachdem Charlotte mit dem Ärmel einmal rasch über das schwarze Leder gewischt hatte, schlug sie das Album auf.
    Schnell fand sie, wonach sie gesucht hatte. Ein altes, leicht unscharfes Gruppenfoto, das kurz vor dem Abitur aufgenommen worden war. Es zeigte unsere gesamte Jahrgangsstufe auf den Stufen vor dem Schulportal. Ich entdeckte Kai sofort. Er hatte seine Sonnenbrille lässig in die kurzen Haare geschoben und zeigte sein berühmt-berüchtigtes Lausbubengrinsen. Charlotte, die sich bei mir eingehakt hatte, smilte ebenfalls direkt in die Kamera, mit Zeige- und Mittelfinger formte sie das Peace-Zeichen. Alle sahen aus, als hätten sie jede Menge Spaß. Alle außer mir. Ich zog ein Gesicht, als hätte mir gerade jemand die Kekstüte geklaut.
    »Du schaust aber grimmig.« Charlotte beugte sich über das Album. »Deiner Miene nach zu urteilen, muss an dem Tag irgendetwas mächtig schiefgelaufen sein.«
    »Ich kann dir sagen, was schiefgelaufen ist: Ich habe es verpasst, mich rechtzeitig hinter meinem Vordermann zu verstecken.«
    Als ich mir das Foto noch etwas genauer anschaute, fühlte ich mich plötzlich in meine Schulzeit zurückversetzt. Mein Magen krampfte sich zusammen, und der Kloß in meinem Hals schwoll an wie ein Wespenstich, bis ich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.
    Genug jetzt, ermahnte ich mich. Höchste Zeit, endlich einen Schlussstrich unter die leidige Vergangenheit zu ziehen und die unglückselige Geschichte von damals zu vergessen. Eigentlich war mir das, von ein paar kleinen Rückfällen mal abgesehen, auch ganz gut gelungen – bis zu dem Moment, in dem Kai im Hotel aufgetaucht war und die alten Wunden wieder aufgerissen hatte. Herzlichen Dank, lieber Kollege!
    »Das ist doch wirklich Schnee von gestern«, sagte Charlotte, die offenbar ahnte, was in mir vorging. »Zugegeben, du bist während unserer Schulzeit nicht gerade eine Schönheit gewesen, aber …«
    »… aber auch keine
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