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Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)

Titel: Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Ahnung hatte, womit, bedachte er sie rasch mit einem Blick, und ihr kam der wahnwitzige Gedanken, dass Wolf ihr zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort vielleicht sogar zugeblinzelt hätte, als wollte er sagen: Na, sieh mal einer an.
    Und dann bot er ihr Fleisch dem Jungen mit der Beretta an.
    Ihr drehte sich der Magen um, und sie würgte, als Beretta züngelnd über das Fleisch fuhr und an ihrem Blut leckte wie ein Kind an einem Eis am Stiel. Wieder der seltsame Klang, als würde nasser Stoff entzweigerissen, der Kiefer von Beretta setzte sich in Bewegung, und er fing zu kauen an.
    Das passiert nicht, das kann nicht wahr sein. Benommen sah sie zu, wie sie kauten, wie sie ihr Fleisch probierten und sich die Lippen leckten wie diese Typen in einer Kochsendung, wenn sie abschmeckten, ob die Sauce noch eine Messerspitze Salz brauchte. Wieder geriet ihr Inneres ins Rutschen, gleich würde sie vom dünnen Eis purzeln und endgültig den Verstand verlieren. Oder sie schnappte einfach über und begann zu kreischen. Dann mussten sie ihr die Kehle durchschneiden, um sie zum Schweigen zu bringen.
    Da sie jetzt so nah waren, konnte sie die merkwürdigen farbigen Fetzen, die sich die Jugendlichen umgebunden hatten, genauer in Augenschein nehmen. Es waren keine einzelnen Streifen, sondern mit unregelmäßigen, groben Stichen zusammengenähte Bänder, die an die Nähte von Frankensteins Monster erinnerten.
    Und die Fetzen waren nicht aus Stoff.
    Sie waren aus Leder.
    Aus Haut.
    Auch waren die Farben nicht einfach draufgeschmiert, es waren Muster. Ein verkümmerter Schmetterling. Ein Stück verknoteter Stacheldraht. Eine zerfledderte amerikanische Flagge. Im Lederstreifen um den Hals von Wolf sah sie ein verblichenes rotes Herz, und schwarz daneben stand, in kunstvoll verzierter Kursivschrift, FRANK .
    Jetzt wusste sie, warum Wolf das geronnene Blut mit etwas Schnee von ihrem Muskel abgewischt hatte. Er suchte nach guten Tattoos. Die Veränderten schmückten sich … mit Menschenhaut.
    O nein, nein, nein, o Gott, nein, nein, o Gott! Ein Schrei ballte sich in ihrer Kehle, als Wolf den letzten Bissen von ihr verzehrt hatte und die Kapuze zurückschob, sodass sie einen unverstellten Blick auf sein Gesicht hatte. Sie bekam es sehr genau zu sehen.
    Nein. In einer ganz tiefen Windung ihres Gehirns wurde ein Schalter umgelegt. Nein. Das stimmt nicht. Ich irre mich. Ganz klar.
    Aber sie irrte sich nicht. Bei Gott, sie irrte sich nicht.

6
    Die Augen waren dieselben.
    Und auch die Nase und die hohen Wangenknochen.
    Die Gesichtszüge waren eine exakte Kopie. Ebenso der Mund. Diese Lippen waren das Zwillingspaar von jenen, die sich glühend auf ihre gepresst hatten, sodass ihr unvermittelt ganz heiß zwischen den Schenkeln geworden war. Die Haare waren zwar länger, aber genauso schwarz. Selbst der schattenhafte Geruch war derselbe.
    Der einzige Unterschied – der riesig war, denn er markierte die Grenze zwischen Leben und Tod – war eine blassrosa Narbe, die sich wurmartig von seinem linken Kiefergelenk direkt unter dem Ohr bis zu seinem Adamsapfel wand, bevor sie unter den Kragen seines Parkas kroch und verschwand.
    Alex’ Eltern hatten am Abendbrottisch gern gefachsimpelt, und sie hatte von ihrer Mutter, einer Notärztin, Fallbeschreibungen gehört, die ihr Vater, ein Polizist, mit seinen Erfahrungen als Ersthelfer ergänzt hatte. Daher wusste Alex, wie manche Leute Selbstmord begingen und wo man wie schneiden musste. Klar, eine solche Narbe konnte auch von einem außergewöhnlichen Unfall – etwa mit dem Auto – oder einem Kampf oder sogar einer Operation stammen, aber das glaubte sie nicht. Wolfs Haut war ansonsten makellos, obwohl sie sich später fragen sollte, wie seine Handgelenke und Arme aussahen. Auch vernarbte Wunden waren bei manchen Menschen sehr hässlich. Ihre Dicke sagte nicht unbedingt etwas über ihre Tiefe aus. Doch dank ihrer Arbeit an Kincaids Seite hatte sie in den letzten Monaten eine Menge über Anatomie gelernt.
    So wie es aussah, war es ein böser Schnitt gewesen, tückisch und lang und tief genug, um die Drosselvene des Jungen aufzuschlitzen und vielleicht auch die Halsschlagader. Vielleicht – wahrscheinlich – alle beide. Wenn die Halsschlagader durchtrennt war, pumpte ein junges, starkes Herz das Blut in einer purpurfarbenen Fontäne rasend schnell aus dem Körper, und er blutete binnen sechzig bis neunzig Sekunden aus. Dass der Junge nicht verblutet war, dass er überlebt hatte … Nun, seine

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