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Ascheherz

Ascheherz

Titel: Ascheherz
Autoren: Nina Blazon
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ihre Geschichte: Es gab eine Zeit des Kämpfens und der Feindschaft, eine Zeit des Kräftemessens und eine des Respekts. Und dann einen Tanzschritt lang das erste Lächeln. Als sie schließlich zueinanderfanden, war Gerons Blick so aufrichtig, dass sie keinen Moment an seiner Liebe zweifelte.
    Bis … er sie plötzlich an sich zog, sie fester in die Arme nahm, als es das Stück verlangte, und sich viel zu dicht über sie beugte.
    »Was machst du, verdammt!«, zischte sie, doch selbst unter der Schminke erahnte sie Finns diebisches Grinsen.
    »Die Wetten stehen eins zu zehn«, raunte er ihr für die Zuschauer unhörbar zu und … versuchte sie tatsächlich zu küssen! Der letzte Zauber verflog. Jetzt war sie nur noch ein Mädchen mit einer Maske inmitten von Bühnengerümpel und bedauernswerten Tieren. Die Wut war wie ein kalter Wasserstrahl - scharf und ernüchternd. Blitzschnell wandte sie den Kopf zur Seite und trat Finn mit aller Kraft gegen das Schienbein. Er keuchte auf und ließ sie sofort los, aber er überspielte den Schmerz gut. Summers weiter Rock hatte den Tritt verborgen. Dennoch lachte im Zuschauerraum jemand schadenfroh auf und die Affen nutzten die Gelegenheit und fingen an zu kreischen. Nun wurden die Löwen tatsächlich unruhig, als würden sie Summers Zorn spüren. Hinter der Kulisse konnte Summer Mort fluchen hören. Sie riss sich zusammen und versuchte, von der kurzen Pause abzulenken, indem sie sich von Geron entfernte und ihren Vogelschwarm herbeirief. Bevor sie in ihrem Text fortfuhr, warf sie einen Seitenblick ins Publikum. Bator lehnte mit verschränkten Armen in seinem Stuhl. Auf seinen Lippen lag ein amüsiertes Lächeln. Er musterte
Summer so interessiert, als wäre sie auch eine der Raubkatzen, für die er das Futter bezahlte. Aber das war es nicht, was ihr plötzlich das Gefühl gab, trotz Maske und Kostüm völlig nackt zu sein. Die Bühnenbeleuchtung verwandelte sich in Eislicht, das sie frösteln ließ, während sie den leeren Stuhl zu Bators Linken anstarrte.
    Auf der Lehne: Handschuhe. Finger, die sich tief in das Leder des Bezugs gruben.
    Reiß dich zusammen! , schalt sie sich selbst. Es gibt immer und überall Männer, die Handschuhe tragen. Aber heute hörte ihr Herz nicht auf ihren Kopf. Und das, was sie mehr fürchtete als alle Raubkatzen des Theaters zusammen, holte sie mit einem Wimpernschlag ein. Das Theater verblasste und die Wirklichkeit ihrer Nächte kam ihr so beängstigend nah, dass sie nach Luft schnappte. Ihr rasender Puls hämmerte ihr mit jedem Schlag das Bild ein, dem sie glaubte entflohen zu sein: Er.
    »Summer?« Finns Flüstern an ihrem Ohr. Sein Arm lag fest um ihre Taille. Sie musste sich zur Seite bewegt haben, ein, zwei große Schritte, als wollte sie fliehen. Wann hatte sie versucht, die Bühne zu verlassen? Die Vögel umschwirrten sie immer noch, die Zuschauer begannen zu murmeln.
    »Der Tod …«, zischte ihr Mia den Text aus der Kulisse zu. »Der Tod und die Liebe …«
    Summer blinzelte und versuchte, den Mann zu erkennen, der die Handschuhe trug. Doch er saß im Schatten der nächsten Reihe, sie erahnte nur seinen Umriss. Ehe sie genauer hinsehen konnte, schwenkte das Licht auf sie und blendete sie.
    »Der Tod …«, flüsterte Mia mit noch mehr Nachdruck.
    Summer schluckte. Sie musste sich räuspern, bis sie endlich ihren Satz herausbrachte.
    »Der Tod und die Liebe sind Nachbarn«, schloss sie hastig,
ohne Feuer, ohne Tiefe, so kläglich, dass eine Zuschauerin in der ersten Reihe kicherte. »Doch der … der Abschied wohnt in beiden Häusern.«
    Während sie sich von Finn losriss und von der Bühne flüchtete, ohne den Rest ihres Textes zu sprechen, blickte sie ins Publikum. Keine Hände, kein Blutmann. Der Stuhl neben Bator war unberührt, und auch der Stuhl dahinter war leer.

    Mort brüllte schon, seit der letzte Zuschauer das Theater verlassen hatte. Und Summer konnte es ihm nicht einmal verübeln. »Ausgerechnet heute so ein Patzer!«, donnerte er. »Was, wenn Bator das Stück missfallen hätte? Du hättest beinahe alles verdorben! Du …«
    »Beinahe«, fiel ihm Charisse ins Wort. »Aber es hat doch niemand bemerkt.«
    » Ich habe es gemerkt!«, brauste Mort auf und schlug sich mit der Faust auf die Brust. »Ich!«
    »Schon gut, Mort«, schaltete sich nun auch Finn ein. »Aber Bator hat das Stück gefallen, er hat uns sogar Geld für Wein dagelassen. Außerdem war es meine Schuld. Ich habe den Text verändert.«
    »Und die Wette verloren«,
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