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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt
Autoren: A Brandhorst
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Ein kaum wahrnehmbares Flimmern – eigentlich nur erkennbar, wenn man wusste, wonach es Ausschau zu halten galt – wies darauf hin, dass es sich um eine semimaterielle Projektion handelte. Es war keine Person aus Fleisch und Blut, sondern ein Avatar in einer blaugrünen Uniform, am Kragen ein Abzeichen mit dem Symbol der Ägide.
    »Ich habe Ihnen dies mitgebracht.« Der Mann – der Avatar – reichte Rahil ein kleines Bündel, bestehend aus einem mehrfach gefalteten Gewebefladen.
    Rahil nahm ihn entgegen und drückte ihn an die nackte Brust, woraufhin sich die Konsistenz des Fladens veränderte. Er wurde zu einer zähflüssigen Masse, die mehr grau als braun an Rahil hinabfloss und emporkletterte, in Penis und After kroch und binnen weniger Sekunden Funktionen für die Wiederaufbereitung aller Ausscheidungen bereitstellte. Nach einigen weiteren Sekunden und nachdem Rahil erst den einen und dann auch den anderen Fuß gehoben hatte, bildete die Gewebemasse eine zweite Haut auf dem Leib und begann damit, auf der Grundlage eines autoadaptativen Programms ihre molekulare Struktur zu verändern. Die Außenseite verwandelte sich in etwas, das nach gewöhnlicher Kleidung aussah, während die Innenseite Kontaktstellen für die Femtomaschinen schuf.
    »Die Rüstung ist ein Modell Empirion«, sagte der Avatar. »Sie enthält alle aktuellen Informationen und die notwendigen Einsatzprogramme. Ich bringe Sie zum Schiff.«
    Angenehme Ruhe breitete sich in Rahil aus, als die Funktionen von Femtomaschinen und Rüstung sich gegenseitig ergänzten. Die zahllosen winzigen Maschinen in seinem Innern dienten in erster Linie dazu, Zellschäden zu reparieren sowie die metabolische und organische Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Sie gewährten relative Unsterblichkeit, ermöglichten begrenzte emotionale Kontrolle und beschleunigtes Denken. Die Rüstung, in diesem Fall ein Empirion, schützte vor Verletzungen, stellte dem Träger ein gewisses Regenerationspotenzial zur Verfügung und enthielt externe Gedächtnismodule, Datenbanken sowie zerebrale Schaltkreise, die Wahrnehmung und Denken erweiterten. Als der Datenfluss zwischen Femtomaschinen und Rüstung in voller Bandbreite funktionierte, rückten Rahils zuvor wild durcheinandergewirbelte Gedanken und Erinne rungen an ihren Platz, während Gefühle, die diese neue Ordnung beeinträchtigen konnten, in den mentalen Hintergrund wichen. Er erreichte den geistigen Zustand, den die Missionare der Ägide »ruhige, entschlossene Einsatzbereitschaft« nannten. Nichts lenkte ihn ab, nicht einmal die Erinnerungen an Jazmine.
    »Sie sind der Kurator?«, fragte Rahil, als er dem Avatar durch das Loch in der Wand in einen halbdunklen Korridor folgte.
    Der hagere Mann in der Ägide-Uniform vor Rahil zögerte kurz, und das kaum sichtbare Flimmern, wie ein leichtes Verschwimmen der Konturen, schien für den Bruchteil einer Sekunde etwas stärker zu werden. »Die von mir repräsentierte Maint dieser Station, ja. Ich habe überlebt, obwohl der Angreifer eine Logikbombe gegen meine Systeme eingesetzt hat.«
    Sie wichen einem Trümmerstück aus, das wie ein kleiner Berg vor ihnen aufragte und aus der Wand gebrochen war. Es sah aus, als hätte sich etwas mit roher Gewalt einen Weg durch die Station gebahnt, ohne sich von Siegeltüren und Wänden aufhalten zu lassen, und das Ziel schien ihr Zentrum gewesen zu sein, der am besten geschützte Ort, wo sich Schmiede und Uterus befanden.
    Rahil griff auf die Erinnerungen zu, die Teil des überspielten Images waren, und wertete mithilfe der zerebralen Schaltkreise innerhalb von nur ein oder zwei Sekunden alle relevanten Daten aus. Es gab viele Maints mit dem Status von Kuratoren, aber die meisten von ihnen befanden sich in großen planetaren Stationen oder Orbitalbasen, in direkter Verbindung mit einer Aura, wenn sie nicht gar ihren Mittelpunkt oder zumindest eins ihrer Zentren bildeten. In einer relativ kleinen Station wie dieser – über die Kommunikationssysteme der Rüstung hatte Rahil Zugriff auf die freigegebenen Datenspeicher der Station und eine schematische Darstellung mit Leistungsspezifikationen heruntergeladen –, noch dazu ein ganzes Stück von Ganska und seiner Informationsaura entfernt, lag der größte Teil der Kapazität einer Maschinenintelligenz brach; smarte Systeme hätten vollkommen ausgereicht.
    »Es erfolgen keine Instruktionen?«, fragte Rahil.
    »Rufen Sie die Einsatzprogramme auf, wenn Sie an Bord des Schiffes sind«, erwiderte der
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