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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt
Autoren: A Brandhorst
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»Eine Bibliothek mit Milliarden von jenen Büchern, in denen jeder einzelne Buchstabe, jedes Farbpigment und jedes Atom so viele Informationen enthält, dass man ihre Zahl gar nicht nennen kann.«
    Unendliches, unbegrenztes Wissen, darauf lief es hinaus. Die ersten Zivilisationen, die vor Jahrmilliarden im Universum entstanden waren, die Primären, hatten begonnen, Wissen zu sam meln wie später, viel später die Hosprit, und auf diese Weise war die Kosmische Enzyklopädie entstanden, als Erfahrungsschatz allen intelligenten Lebens in Zehntausenden von Galaxien. Die ses intellektuelle Manna und die Möglichkeit, Antwort auf alle Fragen zu bekommen, Zugriff auf alle Technologien zu erhalten, auch auf jene, die wie pure Magie anmuteten, lockten die aufstrebenden jungen Zivilisationen, denn dieses Wissen versprach die Lösung aller Probleme.
    Darum geht es, dachte Rahil. Um die Pforten des technologischen Paradieses, die sich auch für uns öffnen könnten. Erneut hörte er die Stimme seines Instruktors aus einer Zeit, als er noch voller Illusionen gewesen war.
    »Als vor fast sechshundert Jahren die Ägide gegründet wurde, kurz nach dem Ereignis , bekam sie Kandidatenstatus. Die Primären sagten uns: Wir helfen euch. Wir helfen euch dabei, den anderen zu helfen, jenen Teilen von euch, die den falschen Weg beschritten …«
    »Damit meinten sie die Gefallenen Welten, nicht wahr?«, vernahm Rahil seine eigene Stimme, die Worte des jungen Rahils.
    »Ja«, bestätigte der Instruktor und fügte ein kurzes Klappern mit den Schnabelrudimenten hinzu. »Die verwüstete Erde und all die anderen vom Ereignis betroffenen Welten, insgesamt zwei hundertdrei in neunundachtzig Sonnensystemen, Opfer der Zwei ten Phase beziehungsweise der Diaspora. Die dreizehn Systeme diesseits des Sagittariusbruchs waren von der Katastrophe verschont geblieben und bewahrten sich ihr Entwicklungsniveau, während die Gesellschaften auf über zweihundert Welten, oder ihre Überreste, in die Barbarei zurückfielen. Wir, die Bruch-Gemeinschaft und die Sieben Völker…«
    Die Stimme des Chormiki wurde leiser, verlor sich schließlich im Lied der Kosmischen Enzyklopädie. Fast sechshundert Jahre, dachte Rahil, hat die Ägide hart gearbeitet und gehofft, und jetzt droht alles zu scheitern. Dort saßen die erlauchten Völker der Hohen Mächte am Tisch und tranken den Wein der Erkenntnis, während die Menschheit am Rand der Wüste ausharrte, den sie nach sechs Jahrhunderten der Restauration erreicht hatte. Hunger leidend und halb verdurstet hockte sie dort an einem eigenen Tisch, klein und wacklig, darauf nichts weiter als trockenes Brot und Wasser.
    Aufnahme in den Kreis der Hohen Mächte und Zugang zur Kosmischen Enzyklopädie, das war das Ziel. Ein Platz am Tisch, auf dem es alles gab, das man sich wünschen konnte, direkt in Reichweite – man brauchte nur die Hand danach auszustrecken.
    Aber dann war das Artefakt erschienen.
    Es hat mich getötet, dachte Rahil und beobachtete, wie das Kickout der Leskovar seine stabile Phase erreichte – es war für den Transit bereit. Wegen des Artefakts hat mich jemand auf Heraklon getötet, damit ich meine Mission nicht beenden konn te. Ich habe versagt.
    Zeit verging, während das Lied des Wissens flüsterte.
    »Die Wiederherstellung ist beendet«, sagte der Kurator schließlich.
    Rahil seufzte, schlug die Augen auf und sah Zerstörung.
    3
    Der Uterus tief im Innern der Station hatte sich geöffnet, und in der Wand jenseits der offenen Luke klaffte ein Loch, wie geschaffen von der Faust eines zornigen Riesen. Rahil beobachtete und fühlte, wie sich die letzten Verbindungen von Bauch, Brust und Kopf lösten, stand auf und trat vorsichtig durch die Öffnung. Der fehlende direkte Kontakt mit den Systemen der Station schränkte seinen Wahrnehmungshorizont ein, aber dafür standen ihm nun die Sinne des neuen Körpers zur Verfügung. Nackt, physisch jung und ohne einen einzigen Kratzer blieb er vor dem Loch in der Wand stehen und betrachtete die zerschmetterten Reste eines Aggregats, das eine monochrome Schmiede gewesen sein musste. Viel war nicht davon übrig, aber Rahil hatte genug Schmieden gesehen, um einige der übrig gebliebenen Komponenten zu identifizieren.
    »Wir haben Glück gehabt«, erklang eine Stimme. »Die Schmiede wurde zerstört, nachdem sie den Uterus geschaffen und ihm Ihr Image übertragen hatte. Andernfalls stünden Sie jetzt nicht hier.«
    Rahil drehte sich um und sah einen hageren, älteren Mann.
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