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Arno-Linder 1: Papierkrieg

Arno-Linder 1: Papierkrieg

Titel: Arno-Linder 1: Papierkrieg
Autoren: Martin Mucha
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andächtig aus der Hülle und legte sie auf den Plattenteller. Ich schaltete den Strom ein, die Boxen summten kaum wahrnehmbar, und legte den Arm auf die Platte. Das vertraute Knacken und Rauschen hob an, Keith spielte ein open-e-Riff, Charlie stieg ein und Mick ließ ein saftiges ›Oh yeah‹ hören. ›Rocks off‹ ging ab wie immer und vor mir lagen die 32 Minuten der ersten LP von ›Exile on Main Street‹.
    Ich gab mir selbst Feuer und inhalierte tief, hielt den Atem an, solange es ging, um dann ganz langsam auszuatmen. Das THC schlug ein, und der ganze Tag mit all seinen Vorkommnissen war plötzlich unwichtig geworden. Meine Füße kribbelten und eine heiße Hand schien mich am Hinterkopf zu packen. Als ich fertig ausgeatmet hatte, ging gerade der straighte Teil von ›Rocks Off‹ in das atmosphärisch-psychodelische Zwischenspiel über. ›It’s all mesmerized‹, raunte Mick. Dem war nichts hinzuzufügen.
    Ich saß noch zwei LP-Längen im Dunkel, vergrub mich im schweren, erdigen Heroinsound der Stones und machte mir Gedanken. Das führte aber zu nichts. Dann ging ich ins Bett. Und das alles wegen zehn Euro.
     
     
     
     

Kapitel 2
     

I
    Der nächste Morgen kam zu früh. Nach vier Stunden Schlaf bin ich einfach noch nicht so weit, ein neues Heute zu ertragen. Nichtsdestotrotz quälte ich mich aus dem Bett, setzte Kaffee und Tee auf, schenkte mir den Kaffee ein, holte die Zeitungen und aß ein Stück altes Brot. Mehr hatte ich nicht zu Hause.
    Die Philologie ist zwar eine schöne, sinnliche und verständnisvolle Geliebte, aber Geld lässt sich mit ihr nur schwer verdienen. Sie ist eine Göttin und keine Hure. Zuerst muss man jahrelang schuften und sich quälen und nach mancher Prüfung, Arbeit und Dissertation landet man, wenn man Glück hat, an der Uni. Man beginnt, die akademische Karriereleiter hinaufzuklettern, als Externer Lektor, der niedrigsten Lebensform an einer Hochschule. Sogar die malaiischen Putzfrauen blicken auf einen herab. Kein Wunder bei einem Einkommen von zehn mal 535 Euro jährlich. Sozialversichert ist man damit selbstverständlich nicht.
    Ich rasierte mich, schloss meine morgendliche Toilette ab und schaute in den Kleiderschrank, um zu eruieren, was ich denn anziehen sollte. Schließlich sollte ja der Vater der blonden Schönheit einen guten Eindruck von mir haben. Außerdem hatte ich zu Mittag eine Vorlesung zu halten, zwei Stunden mit acht unbegabten Studenten griechische Partikel analysieren. Dagegen erscheint ein Wettschwimmen gegen einen weißen Hai als reinstes Vergnügen.
    Ich zog mir eine hellbraune Hose an, mein tabakfarbenes Jackett, ein olivgrünes Hemd mit einer schwarz-weiß-rot quergestreiften Krawatte. Schwarz-Weiß-Rot bis in den Tod, das konnte heute tatsächlich eintreffen.
    Ich nahm gerade den letzten Schluck aus meiner Tasse, es war gegen halb neun, als mein Handy klingelte. Eine unbekannte Nummer. Ich nahm das Gespräch an, eine unbeteiligte, klar artikulierende Frauenstimme sprach mit mir.
    »Hier Frau Klarett, im Auftrag der Kanzlei Meyerhöffer & Unrath. Sie haben heute um 9 Uhr 30 einen Termin mit Herrn Dr. Meyerhöffer, Herr Gehlen. Gedenken Sie, diesen Termin einzuhalten?«
    Ich war im Begriff, mit »Sicherlich« zu antworten, als ich begriff, dass es sich hierbei wohl um eine rhetorische Frage handelte, denn die Sekretärin hatte bereits aufgelegt. Offenbar war die Kanzlei sehr bekannt, denn die Kenntnis der Adresse war stillschweigend vorausgesetzt worden. Außerdem hieß ich gar nicht Gehlen, Herr Meyerhöffer traf offenbar seinerseits Vorsichtsmaßnahmen.
    Ich schenkte den letzten Rest vom Kaffee ein, trank ihn in einem Zug aus und füllte meine Thermoskanne mit dem Sencha. Danach fischte ich den elektronischen Schlüssel aus dem Altpapier und packte alles in meine verschlissene, braunlederne Tasche. Ich warf meinen Mantel über und machte mich auf den Weg.
    Unten im Hausgang öffnete ich den Briefkasten meines Obernachbarn und steckte den Inhalt schnell in die Innentasche meines Jacketts. Dann schloss ich meinen blauen Mantel aus grobem Wollstoff und trat hinaus.
    Auf der Straße, es nieselte und ein bitterkalter Wind pfiff um die Häuserecken, war nicht viel los. Keine Polizei, keine Neugierigen, nichts. Offenbar war der Mord noch immer nicht entdeckt worden. Ich schaute mich unbeteiligt um, ob nicht irgendwo das Auto stand, zu dem mein Schlüssel passen könnte.
    Auf der anderen Straßenseite stand ein alter, weißer Skoda Octavia. Ich nahm
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