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Arminius

Arminius

Titel: Arminius
Autoren: Sebastian Fleming
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getötet habe und die Germanen noch nicht geschlagen sind.
    Aber hieß er denn nicht Germanicus, Germanenbezwinger? Sein Heer war dreimal so groß gewesen wie das des Varus, und er hatte das Land verwüstet. Er hatte die Feinde eingekesselt, war überraschend mit der Flotte über die Visurgis gefahren, hatte Stürme überlebt, Dörfer gebrandschatzt – und doch war es, als ob man in einen Sandsack schlug. Man wurde allmählich müde dabei, aber der Sack platzte nicht, sondern nahm seine alte Form wieder an. Nicht einmal die Gefangennahme seiner Frau hatte Arminius zu einer unbedachten Handlung verleiten können.
    Trotz des Verrats hatte Germanicus immer geglaubt, diesen Mann zu kennen, aber nun, in diesem schon seit Stunden andauernden Hauen und Stechen und Köpfespalten, musste sich Tiberius Claudius Julius Germanicus eingestehen, dass er mit seiner Einschätzung falsch lag. Arminius war kein Verräter, schlimmer noch, er war ein Fremder für ihn. Dieser Gedanke raubte ihm die Kraft. Wofür kämpfte er hier eigentlich? Plötzlich kam ihm die ganze Sinnlosigkeit des Kampfes zu Bewusstsein. Von außen und befremdet sah er auf die Raserei, in die sich seine Seele verloren hatte. Einen Tag zuvor hatte ihn außerdem die Nachricht erreicht, dass sein Freund Ovid in der Verbannung in Tomi gestorben war, alt und vereinsamt. Tiberius hatte ihn nicht begnadigt und ihm auch nicht erlaubt, nach Rom zurückzukehren, obwohl sich Germanicus für den Dichter eingesetzt hatte. Der Kaiser konnte Ovid nicht vergeben, dass er zu den Lieblingen seiner geschiedenen Frau Julia gehörte hatte, die er abgrundtief hasste. Armer Ovid, dachte Germanicus, während er einem jungen Germanen das Schwert in den Bauch trieb.
    Was war das Schicksal doch für ein hämischer Komödiant! Nun, als es ihm gleichgültig geworden war, als er das Interesse daran verloren hatte, stand Arminius plötzlich in dem großen Bluttanz, den man Schlacht nannte, vor ihm.
    Germanicus brach in lautes Gelächter aus. »Was sind wir für doch für große Kinder, Arminius, die niemals erwachsen werden! Wir brauchen immer etwas zum Spielen, und je mehr Blut dranklebt, umso besser«, brüllte er ihm zu.
    Arminius antwortete nicht. Er senkte nur stumm sein Schwert, um ihm als Gegner seine Ehrerbietung zu erweisen, dann schlug er zu. Sie schenkten sich nichts in dem Gefecht. Und sie waren einander ebenbürtig, sie kannten die Stärken und Schwächen des anderen, seine Finten und die Winkel, aus denen sie den Stoß am liebsten führten. Ja, sie kannten sich wie Freunde, wie Brüder. Und plötzlich war es wieder so wie vor vielen Jahren auf dem Schiff, als sie auf Leben und Tod miteinander rangen und in den Fluss fielen.
    Es bleibt nur Feindschaft, nicht Liebe, dachte Germanicus. Was wäre denn gewesen, wenn Tiberius sie damals nicht gerettet und sie auf dem Grund der Mosella den Tod gefunden hätten? Was? Varus würde noch leben und mit ihm viele Soldaten der drei Legionen. Auch nicht wenige germanische Krieger erfreuten sich noch des Daseins. Viele Kinder wären nicht zu Waisen, viele Frauen nicht zu Witwen geworden. Die Marser hätten in Ruhe ihren Rausch ausgeschlafen und wären nicht als Manen wieder erwacht. Wie viel Blut wäre nicht vergossen worden?
    Mit diesem Gedanken schlug er Arminius das Schwert aus der Hand und setzte die Spitze an seinen Hals. Er musste nur noch zustoßen. Das war der Augenblick der Rache, auf den er lange, und wie sich jetzt zeigte, zu lange gewartet hatte.
    Die Augen des Arminius waren tot wie zu Beginn ihres Waffenganges. Er hatte ihn bisher keines Wortes gewürdigt. Und das erboste Germanicus. Es schien Arminius sogar gleich zu sein, ob er jetzt sterben würde oder nicht. Warum sollte er einen toten Mann umbringen? Wie nichts auf der Welt verlangte es ihn nach einer Reaktion dieses Menschen, der ihm am nächsten und gleichzeitig am fernsten stand. Deshalb stieß er nicht mit dem Schwert, sondern mit Worten zu, die schärfer und tödlicher sind als jede Waffe der Welt: »Werde ich denn den Vater eines gerade auf die Welt gekommenen Knaben töten? Ich bin doch kein Barbar.«
    Mit den Tränen drang Leben in die Augen des Arminius. Er hatte einen Sohn. Er brach in die Knie. Sollte geschehen, was wollte.
    Germanicus ging davon, mochte die Schlacht auch noch eine Weile toben. Er hatte genug von alledem, das geistlose Blutvergießen ekelte ihn an. Er würde nach Rom zurückkehren, seinen Triumphzug halten, das Schwert niederlegen und dann endlich in
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