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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Autoren: Kai Meyer
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Japanerin in die Jackentasche und schob sich die Stöpsel ins Ohr.
    s
    Sie waren eine Dreiviertelstunde in der Luft, als der Mann neben ihr den Rufknopf für das Bordpersonal betätigte.
    Überraschung, Überraschung, dachte Rosa, als die Stewardess vom Gate auf dem Gang erschien.
    »Die Signorina weigert sich, die Jalousie vor dem Fenster zu öffnen«, sagte er. »Ich möchte die Wolken sehen.«
    »Und sich dabei über mich beugen«, bemerkte Rosa, »und in meinen Ausschnitt glotzen.«
    »Das ist lächerlich!« Der Mann sah sie nicht an.
    Der Blick der Stewardess streifte zweifelnd ihr schwarzes Top.
    »Das wird noch«, sagte Rosa beruhigend, »keine Sorge.«
    »Ich will doch nur die Wolken sehen«, wiederholte der Mann.
    »Mein Fensterplatz, meine Jalousie.«
    »Irrtum. Das Fenster gehört nicht zu Ihrem Platz.«
    »Und die Wolken nicht zum Unterhaltungsprogramm.«
    Der Mann wollte sich aufplustern, aber die Stewardess lächelte mit dem Liebreiz einer Schaufensterpuppe. »Zwei Reihen weiter vorn ist ein Platz am Fenster frei. Den kann ich Ihnen anbieten. In ein paar Minuten bringe ich Ihnen einen Sekt vorbei. Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.«
    Der Mann öffnete unwirsch seinen Gurt und zwängte sich mit leisen Beschimpfungen hinaus auf den Gang.
    »Wir Frauen müssen zusammenhalten«, sagte Rosa.
    Die Stewardess schaute sich um, glitt auf den frei gewordenen Sitz und senkte die Stimme. »Hör zu, Kindchen. Ich kenne solche wie dich … Gib mir meinen Armreif.«
    »Welchen Armreif?«
    »Den du mir gestohlen hast. Die Frau in der letzten Reihe hat dich beobachtet.«
    Rosa erhob sich halb und blickte über die Schulter. »Die mit den Diamantohrringen?«
    »Gib ihn mir und wir vergessen das Ganze.«
    Rosa sank zurück auf den Sitz. »Wenn diese Frau Ihre Tochter beschuldigen würde, irgendwelche Klunker gestohlen zu haben, würden Sie das dann glauben?«
    »Versuch nicht –«
    »Warum tun sie’s dann bei mir?«
    Die Stewardess funkelte sie wütend an, schwieg einen Augenblick, dann erhob sie sich. »Ich melde das dem Kapitän. Bei der Landung in Palermo werden die Carabinieri auf dich warten.«
    Rosa wollte etwas erwidern, aber eine Stimme aus der Reihe vor ihr war schneller: »Das glaub ich kaum.«
    Rosa und die Stewardess wandten gleichzeitig die Köpfe. Ein Junge in Rosas Alter blickte über die Rückenlehne und schenkte ihnen einen ernsten Blick. »Ich hab einen Armreif amGate liegen sehen. Auf dem Boden, gleich da, wo Sie gestanden haben.«
    Rosa lächelte die Stewardess an. »Sag ich doch.«
    »Kommt schon, das ist –«
    »Aussage gegen Aussage.« Er rieb sich den Nasenrücken. »Und was die Polizei angeht – so einfach ist das nicht. Der Kapitän wird Sie darüber belehren. Übrigens wartet der Mann in der Reihe vor mir auf seinen Sekt.«
    Die Stewardess machte den Mund auf und zu wie ein Fisch, stand mit einem Ruck auf und ging.
    Er schien die Frau im selben Moment zu vergessen und sah Rosa neugierig an. Abwartend.
    »Warum kümmerst du dich nicht um deinen Scheiß?«, fragte sie freundlich.

Alessandro
    E r sah gut aus, keine Frage.
    Dabei besagte die Wahrscheinlichkeit genau das Gegenteil: Falls einem wirklich mal jemand zu Hilfe kam, sah er niemals gut aus. Kein norwegischer Popstar. Nicht mal der aknenarbige Quarterback vom Highschool-Team. Nur irgendein Kerl mit fettigen Haaren und Mundgeruch.
    Er aber war anders.
    Rosa musterte ihn zwei, drei Sekunden lang, dann stand sie auf. »Moment.«
    Sie glitt hinaus auf den Gang und ging langsam zur letzten Reihe. Die Frau mit den Diamantohrringen blickte von ihrer Illustrierten auf.
    »Falls das Flugzeug bei der Landung zerschellt«, sagte Rosa zuckersüß, »dann stehen die Chancen zweiundneunzig zu acht, dass alle Passagiere im hinteren Teil der Maschine lebendig verbrennen.«
    »Ich weiß nicht, was Sie –«
    »Wir anderen weiter vorn überleben wahrscheinlich. Vor allem die Bösen. Das Leben ist ungerecht und der Tod ist ein richtiger Scheißkerl. Trotzdem weiterhin guten Flug.«
    Ehe die Frau etwas erwidern konnte, war Rosa schon wieder unterwegs zu ihrem Platz.
    Der Junge hatte die Unterarme auf seiner Kopfstütze übereinandergelegt und beobachtete, wie sie sich setzte. »Was hast du zu ihr gesagt?«
    »Dass wir bald landen.«
    Seine Augen waren ungewöhnlich grün. Ihre eigenen waren gletscherblau, sehr hell. Falls er sie darauf ansprach, würde sie ihn ignorieren. Einfach so tun, als wäre er gar nicht da. Viel zu
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