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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Autoren: Kai Meyer
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anderen«, erklärte Zoe ganz ernsthaft. »Das und noch ein paar Dinge. Die Familie kommt kaum damit in Berührung.«
    Die Familie. Natürlich. Ihre Mutter hatte in den Alcantara-Clan eingeheiratet, wohl wissend, auf was sie sich einließ. Erst später war es zum großen Bruch zwischen Gemma Alcantara und dem Clan gekommen. Nach Davides Tod hatte sie in Amerika mit ihren Töchtern ein neues Leben begonnen. Skrupel, vielleicht Angst vor Abhängigkeit hatten sie davon abgehalten, von ihrer Schwägerin Florinda Unterstützung für die beiden Mädchen anzunehmen. Rosa und Zoe hatten sich damit abfinden müssen, dass Geld immer knapp war. Erst vor kurzem hatte Rosa erfahren, dass Florinda Zoe dann und wann heimlich Schecks geschickt hatte; und dass ein Teil davon für sie bestimmt gewesen, aber nie bei ihr angekommen war. Sie nahm es ihrer Schwester nicht übel. Als Kinder mochten sie gemeinsam vom märchenhaften Reichtum der Alcantaras geträumt haben, aber mittlerweile hatte Rosa jedes Interesse an Geld und Prestige verloren. Es genügte ihr, einige von Zoes besseren Kleidern aufzutragen; mit vierzehn oder fünfzehn hatte sie sich darin reif und erwachsen gefühlt. Erst vor einem Jahr hatte das Schicksal die Sache mit dem Erwachsensein eine Spur zu wörtlich genommen.
    Zoe war auf der Suche nach einem anderen, bequemeren Leben mit achtzehn zurück nach Sizilien gegangen. Rosa hingegen lockten das viele Geld und die Aussicht auf Luxus nicht.Sie wollte hier zu sich selbst finden, sagte sie sich an guten Tagen. Davonlaufen, an den schlechten.
    Ein Hupen riss sie aus ihren Gedanken. Zoe überholte einen Viehtransporter. Strauße mit gesträubtem Gefieder blickten durch das Lattengitter. »Wir wär’s, wenn du Mom eine SMS schickst, dass du gut angekommen bist?«
    »Später. Vielleicht.«
    s
    Sie waren keine halbe Stunde gefahren, als Zoe die Autobahn verließ, einer gewundenen Landstraße durch Weinberge folgte und schließlich auf eine Schotterpiste abbog. Sie führte hinauf zu einer kahlen Erhebung.
    Dort oben wartete ein Helikopter.
    »Haben das auch alle hier?«, fragte Rosa.
    Zoe ließ den Schlüssel stecken und holte Rosas Reisetasche vom Rücksitz. Gemeinsam gingen sie zum Hubschrauber. Der Pilot begrüßte sie einsilbig und half ihnen beim Einsteigen. Zoe schenkte ihm dafür ein hinreißendes Lächeln, aber Rosa war zu müde für solche Höflichkeiten. Beide bekamen Ohrenschützer, die wie dick gepolsterte Kopfhörer aussahen, und mussten sich anschnallen, bevor der Hubschrauber vom Boden abhob.
    Als Rosa zurück nach unten blickte, sah sie eine lang gestreckte Staubwolke, die sich von der Landstraße den Hügel heraufzog. Ein zweiter Wagen hielt neben dem abgestellten Nissan. Ein Mann und eine Frau stiegen aus, beide mit Lederjacken und Sonnenbrillen. Der Mann telefonierte, während er zum Himmel hinauf gestikulierte.
    »Sie geben sich keine große Mühe«, brüllte Rosa über den Lärm des Helikopters hinweg.
    Zoe schüttelte den Kopf. »Wir sollen wissen, dass sie uns beobachten. Irgendeine neue Strategie der Staatsanwaltschaft.Rund um Palermo und Catania ist es besonders schlimm. In den Bergen und anderswo sind sie nicht ganz so dreist. Es ist wie ein Spiel – eigentlich wissen sie genau, wohin wir unterwegs sind.«
    Rosa stellte fest, dass ihr Puls nur mäßig beschleunigt war. Sie hatte gewusst, worauf sie sich einließ. Der Flug im Helikopter war aufregender als die Tatsache, dass Polizei und Staatsanwaltschaft die Alcantaras observierten.
    Mit zwölf war sie zum ersten Mal verhört worden, obwohl sie damals schon seit acht Jahren keinen Kontakt mehr zum Clan ihres Vaters gehabt hatte. Ein zweites Mal mit vierzehn, und seither jährlich. Hätte ihre Mutter sich einen vernünftigen Anwalt leisten können, hätte er das womöglich unterbunden. So aber ließen sie es einfach über sich ergehen, von Mal zu Mal gelangweilter.
    Hätten sie etwas zu verheimlichen gehabt, hätte das die Sache zumindest spannend gemacht. So aber antworteten sie auf alle Fragen mit »Nein« und »Keine Ahnung«, jemand machte Haken auf einem Bogen Papier, ein anderer übersetzte für den italienischen Richter und danach gingen sie alle ihrer Wege.
    Wirklich, es gab Weltbewegenderes als eine Familie, die seit Generationen zur Mafia gehörte.
    s
    Sie flogen über eine atemberaubende Landschaft aus steilen Hängen, schroffen Felsformationen und ockerfarbenen Flecken, die sich im Näherkommen als Gewimmel winziger Häuserklötzchen
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