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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Kain und Abel
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ergaben keinen Sinn. Er war nervös und sogar ein klein wenig besorgt. Sie (fast alle Menschen waren für ihn »sie«) konnten nicht begreifen, daß es ein Junge werden mußte, ein Junge, der eines Tages seinen Platz als Präsident der Bank einnehmen würde. Er blätterte im Evening Transcript. Die Boston Red Sox hatten die New York Highlands geschlagen - die würden feiern. Dann erinnerte er sich an die Balkenüberschrift auf der ersten Seite und blätterte zurück: Das schlimmste Erdbeben in der Geschichte Amerikas. Verheerungen in San Franzisko, mindestens vierhundert Tote - dort würde man trauern. Das war ihm zuwider. Es würde die Aufmerksamkeit von der Geburt seines Sohnes ablenken; die Leute würden sich erinnern, daß an diesem Tag noch etwas anderes geschehen war. Daß es ein Mädchen werden könnte, kam ihm nicht einen Moment lang in den Sinn. Er wandte sich den Finanznachrichten zu und studierte die Börsenberichte alles war gefallen. Dieses verdammte Erdbeben hatte seine Wertpapiere in der Bank um hunderttausend Dollar vermindert; aber da sein persönliches Vermögen mehr als sechzehn Millionen Dollar betrug, würde es mehr als ein Erdbeben in Kalifornien brauchen, um ihn zu erschüttern! Er konnte bequem von seinen Zinseszinsen leben; die sechzehn Millionen würden unangetastet bleiben und auf seinen noch ungeborenen Sohn warten. Er ging weiter auf und ab und tat so, als lese er den Transcript.
    Der Frauenarzt kam im Smoking durch die Tür des Kreißsaales, um die Neuigkeit mitzuteilen. Er hatte das Gefühl, für sein großes Honorar irgend etwas tun zu müssen, überdies war er für die Ankündigung am passendsten gekleidet. Die beiden Männer schauten sich einen Moment lang an. Auch der Arzt war ein wenig nervös, aber er wollte es sich dem Vater gegenüber nicht anmerken lassen.
    »Ich gratuliere, Sir, Sie haben einen Sohn, einen hübschen, kleinen Sohn.«
Was für dumme Bemerkungen die Menschen machen, wenn ein Kind geboren wird, dachte der Vater; wie denn sollte das Kind sein, wenn nicht klein? Die Neuigkeit war noch nicht ganz in ihn eingedrungen - ein Sohn. Beinahe dankte er Gott. Der Frauenarzt wagte eine Frage, um das Schweigen zu brechen.
»Wissen Sie schon, wie er heißen wird?«
Ohne Zögern antwortete der Vater: »William Lowell Kane.« Lange, nachdem die Aufregung über das Baby abgeklungen und die übrige Familie zu Bett gegangen war, blieb die Mutter mit dem Kind im Arm noch wach. Helena Koskiewicz glaubte an das Leben, und sie hatte neun Kinder zur Welt gebracht, um es zu beweisen. Obwohl drei von ihnen ganz jung gestorben waren, hatte sie jedes von ihnen betrauert.
Heute, mit fünfunddreißig Jahren, wußte sie, daß ihr einst so kräftiger Jasio ihr keine Söhne und Töchter mehr schenken würde. Gott hatte ihr dieses Kind hier geschickt; bestimmt würde es leben. Helena war eine anspruchslose Frau, und das war gut, denn das Schicksal sollte ihr nie mehr als ein einfaches Leben bescheren. Sie war mager und grau, eine Folge von Unterernährung, harter Arbeit und ständigem Geldmangel. Es fiel ihr nicht ein, sich zu beklagen, aber die Furchen in ihrem Gesicht hätten besser zu einer Großmutter als zu einer Mutter gepaßt. Nicht ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie ein neues Kleid getragen.
Helena drückte an den müden Brüsten, so daß um die Warzen blaßrote Flecken erschienen. Kleine Milchtropfen traten aus. Wir alle haben mit fünfunddreißig, nach einer halben Lebensspanne, nützliche Kenntnisse weiterzugeben; und diejenigen Helena Koskiewiczs waren jetzt besonders wertvoll.
»Matkas Kleinstes«, flüsterte sie zärtlich und fuhr mit der milchigen Brustwarze über den Mund des Kindes. Die blauen Augen öffneten sich, und auf der Nase des Babys erschienen kleine Schweißtropfen, als es zu trinken versuchte. Schließlich versank die Mutter gegen ihren Willen in tiefen Schlaf.
Als Jasio Koskiewicz, ein schwerfälliger, langsamer Mann mit einem üppigen Schnurrbart - das einzige Zeichen der Selbstbehauptung in einer ansonsten servilen Existenz - um fünf Uhr morgens aufstand, fand er seine Frau und das Baby schlafend im Schaukelstuhl vor. Daß sie das Bett nicht mit ihm geteilt hatte, war ihm entgangen. Er starrte auf den kleinen Kerl, der zum Glück zu wimmern aufgehört hatte. War er bereits tot? Jasio kam zu der Ansicht, daß zur Arbeit zu gehen und sich nicht mit dem Eindringling zu beschäftigen die beste Methode war, Probleme zu vermeiden. Sollte sich die Frau um Leben und
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