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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Kain und Abel
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dem faltigen, zahnlosen Wesen waren nur die schönen blauen Augen bemerkenswert. Als Jasio den mageren Körper anschaute, fiel ihm sofort etwas auf; brummend fuhr er mit dem Daumen über die zarte Brust.
»Hast du es bemerkt, Helena?« fragte der Waldhüter und wies auf die Rippen des Kleinen. »Der häßliche Kerl hat nur eine Brustwarze.«
Seine Frau runzelte die Stirn und strich ihrerseits mit dem Daumen über die Haut, als könne sie das fehlende Organ herbeizaubern. Ihr Mann hatte recht; links hatte das Kind eine winzige Brustwarze, doch rechts war die flache Brust glatt und gleichförmig rosa.
Sofort erwachte der Aberglaube der Frau. »Er wurde mir von Gott geschenkt«, rief sie aus, »das ist ein göttliches Mal!«
Ärgerlich gab ihr der Mann das Baby zurück. »Du bist eine Närrin, Helena. Dieses Kind wurde seiner Mutter von einem Mann mit schlechtem Blut gemacht.«
Er spuckte ins Feuer, um seinen Worten über die Abstammung des Kindes Nachdruck zu verleihen. »Jedenfalls würde ich nicht einmal eine Kartoffel auf das Überleben des Kindes verwetten.«
Jasio war das Überleben des Kindes mehr als gleichgültig; er war kein hartherziger Mann, aber schließlich war der Junge nicht sein Kind, und noch ein hungriges Maul würde seine Probleme nur noch vergrößern. Sollte das Kind aber am Leben bleiben, so würde er sich in den Ratschluß des Allmächtigen fügen; ohne sich weiter mit dem Kind zu beschäftigen, versank er neben dem Feuer in tiefen Schlaf.
Als die Tage vergingen, begann sogar Jasio Koskiewicz an das Überleben des Kindes zu glauben; hätte er gewettet, er hätte seine Kartoffel verloren. Der älteste Sohn, der Jäger, bastelte, unterstützt von seinen Brüdern, ein Kinderbettchen aus Holz, das sie im Wald des Barons gesammelt hatten. Florentyna machte dem Baby Kleider, indem sie von ihren eigenen kleine Stücke abschnitt und zusammennähte. Hätten sie die Bedeutung des Wortes Harlekin gekannt, dann hätten sie den Jungen so genannt. Seit langem hatte in der Familie nichts so große Meinungsverschiedenheiten hervorgerufen wie das Problem, wie man das Kind nennen sollte. Nur der Vater enthielt sich einer Äußerung. Schließlich einigte man sich auf Wladek; am folgenden Sonntag wurde der Junge in der Gutskapelle auf den Namen Wladek Koskiewicz getauft. Die Mutter dankte Gott, daß er das junge Leben erhalten hatte, und der Vater fand sich damit ab; was sein mußte, mußte sein.
An diesem Abend gab es zur Feier der Taufe ein kleines Fest, das durch eine Gans vom Gut des Barons bereichert wurde. Die ganze Familie griff herzhaft zu.
Und von diesem Tag an lernte Florentyna, durch neun zu teilen.

4
    Anne Kane hatte die ganze Nacht hindurch friedlich geschlafen. Als ihr Sohn William nach dem Frühstück von einer Krankenschwester wieder zu ihr gebracht wurde, konnte sie es nicht erwarten, ihn an sich zu drücken.
    »Nun, Mrs. Kane«, sagte die weißgekleidete Schwester fröhlich, »sollen wir dem Baby auch ein Frühstück geben?«
    Sie half Anne, die sich plötzlich ihrer geschwollenen Brust bewußt wurde, im Bett aufsetzen. Anne erkannte, daß Verlegenheit nicht am Platz war, starrte unentwegt in Williams blaue Augen, die noch blauer waren als die seines Vaters, und freundete sich mit ihrer neuen Aufgabe an, bei der man glücklich zu sein hatte. Anne war einundzwanzig und hatte das Gefühl, daß ihr nichts im Leben abging. Als eine geborene Cabot und verehelichte Lowell hatte sie nun einen Sohn, der jene Tradition fortsetzen würde, die eine ihrer Schulfreundinnen so treffend in einem Kartengruß zusammengefaßt hatte:
    Here’s to the city of Boston Land of the bean und the cod Where Cabots talk only to Lowells And Lowells talk only to God. (Auf das Wohl der Stadt Boston, wo Bohnen und Stockfisch gedeihen wo Cabots nur mit Lowells reden und Lowells nur mit Gott.)
    Anne versuchte eine halbe Stunde lang, sich mit William zu unterhalten; das Echo war allerdings eher gering. Hierauf wurde ihr Sohn wieder fortgetragen. Heroisch widerstand Anne den Früchten und Süßigkeiten, die sich neben ihrem Bett türmten. Sie war fest entschlossen, zu Beginn der Sommersaison wieder so schlank zu sein, daß sie ihre Kleider tragen und den ihr zukommenden Platz in sämtlichen fashionablen Magazinen einnehmen konnte. Hatte der Prince de Garonne nicht gesagt, sie sei der einzig schöne Gegenstand in Boston? Ihr langes goldenes Haar, die feingeschnittenen Züge und die schlanke Gestalt erregten in Städten Bewunderung,
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