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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Rivalen
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1952 durften Frauen in der Union noch nicht wählen.
    Obwohl Simon Kerslake ein Erstgeborener war, verfügte er darüber hinaus über so gut wie keines von Charles Seymours Privilegien. Er war der einzige Sohn eines Anwalts und wußte, welche Opfer sein Vater gebracht hatte, um ihn in eine Privatschule zu schicken. Sein Vater starb, während Simon das letzte Jahr am Lancing College absolvierte; er hinterließ seiner Frau eine bescheidene Rente und eine prächtige MacKinleyStanduhr. Eine Woche nach dem Begräbnis verkaufte Simons Mutter die Uhr, damit ihr Sohn das letzte Jahr mit allen jenen Extras beenden konnte, die andere Jungs als selbstverständlich hinnahmen. Auch hoffte sie, ihrem Sohn damit bessere Chancen für eine Aufnahme in die Universität geben zu können.
    Schon als kleiner Knirps hatte Simon nur einen Wunsch gehabt: besser zu sein als seine Rivalen. Ein »Macher«. Viele seiner Altersgenossen aber fanden ihn rücksichtslos oder arrogant, je nachdem, wie eifersüchtig sie waren. Während des letzten Semesters wurde Simon nicht mehr Schulsprecher, und er konnte dem Direktor dessen mangelnden Vorausblick nicht verzeihen. Im selben Jahr, nachdem er die Prüfung abgelegt hatte, erhielt er ein Schreiben aus Oxford, daß man ihm leider keinen Studienplatz anbieten könne. Es war beinahe unerträglich.
    Mit derselben Post traf das Angebot eines Stipendiums von der Durham University ein, das er umgehend ablehnte. »Künftige Premierminister studieren nicht in Durham«, teilte er seiner Mutter mit.
    »Wie wäre es mit Cambridge?« fragte sie und trocknete weiter das Geschirr.
»Keine politische Tradition«, erwiderte Simon.
»Aber wenn du keine Aussicht auf einen Platz in Oxford hast, was dann?«
»Das habe ich nicht gesagt, Mutter«, erwiderte der junge Mann. »Am ersten Tag des Semesters werde ich Student in Oxford sein.«
Da sie seit achtzehn Jahren an scheinbar unerreichbare Ziele gewöhnt war, verkniff sie sich die Frage: »Wie soll dir das gelingen?«
    Zwei Wochen vor Semesterbeginn mietete Simon ein Zimmer in einer kleinen Pension in Oxford. An dem kleinen Tisch in der Ecke des Zimmers, das er lange Zeit zu bewohnen vorhatte, stellte er eine Liste sämtlicher Colleges zusammen und teilte sie in fünf Spalten. Drei der Colleges wollte er vormittags, drei nachmittags besuchen, bis seine Frage: »Haben Sie für dieses Studienjahr einen Studenten aufgenommen, der nicht kommen kann?« von einem der Tutoren positiv beantwortet würde.
    Am vierten Nachmittag, als ihm bereits leise Zweifel kamen und er überlegte, ob er nicht doch in der folgenden Woche nach
    Cambridge fahren sollte, erhielt er die erste positive Antwort. Der für die Aufnahme zuständige Tutor des Worcester College
nahm die Brille von der Nasenspitze und sah den
hochgewachsenen jungen Mann mit dem dunklen Haarschopf
    scharf an. Alan Brown war der zweiundzwanzigste Tutor, den Simon in vier Tagen aufgesucht hatte.
    »Ja«, erwiderte Brown, »ein junger Mann aus Nottingham, den wir aufnahmen, kam letzten Monat bei einem Motorradunfall ums Leben.«
    »Welches Fach – welche Studienrichtung wählte er?« Simons Stimme klang ungewöhnlich unsicher. Er betete, daß es weder Chemie noch Anthropologie oder Klassische Philologie sein möge. Alan Brown blätterte in einem Verzeichnis. Offenbar machte ihm das kleine Kreuzverhör Spaß; er starrte auf die vor ihm liegende Karteikarte.
    »Geschichte«, verkündete er.
    Simons Herzschlag schnellte auf hundertzwanzig. »Ich wollte am Magdalen College Politik, Philosophie und Wirtschaftslehre studieren, wurde jedoch nicht aufgenommen«, sagte er.
    »Würden sie mich für den freigewordenen Platz in Betracht ziehen?«
    Der ältere Mann konnte ein Lächeln nicht verbergen. In seiner vierundzwanzigjährigen Laufbahn war ihm ein solches Ansuchen noch nicht untergekommen.
    »Familien- und Vorname?« fragte er und setzte die Brille wieder auf, als beginne jetzt der ernste Teil des Gesprächs. »Simon John Kerslake.«
     
    Dr. Brown nahm den Telefonhörer und wählte eine Nummer. »Nigel? Hier ist Alan Brown. Habt Ihr erwogen, einem Mann namens Kerslake einen Platz in Magdalen anzubieten?«
    Mrs. Kerslake war nicht überrascht, als ihr Sohn Präsident der Oxford Union wurde. War es nicht, hänselte sie ihn, nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Premierminister? Gladstone, Asquith … Kerslake?
    Ray Gould war in Leeds in einem winzigen fensterlosen Zimmer über dem väterlichen Fleischerladen zur Welt gekommen.
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