Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
Vom Netzwerk:
einzigen Person zuzuerkennen, und haben sich deshalb entschlossen, ihn aufzuteilen zwischen…
Sie starrten ein paar Augenblicke lang auf das Anschlagbrett. Schließlich biß sich Philippa auf die Lippen und sagte mit gepreßter Stimme:
„O Wunder! Hier zeugen unsere Hände gegen unsere Herzen. Komm, ich will dich nehmen, aber bei diesem Sonnenlicht, ich nehm dich nur aus Mitleid!“
William brauchte keinen Souffleur. „Ich will Euch nicht geradezu abweisen; aber, bei diesem Tagesglanz, ich folge nur dem dringenden Zureden meiner Freunde; und zum Teil, um Euer Leben zu retten! Denn man sagt mir, Ihr hättet die Auszehrung.“
Und zum Gaudium der Kollegen und zur Verblüffung des Don, der gerade vorbeikam, fielen sie einander unter dem Schwarzen Brett um den Hals.
Gerüchten zufolge sollen sie sich von diesem Moment an nie mehr länger als für ein paar Stunden getrennt haben.
    Die Hochzeit fand einen Monat später in der Pfarrkirche von Brockenhurst statt. „Nun, wenn man es sich recht überlegt“, sagte Williams Zimmerkollege, „wen sonst hatte sie heiraten sollen?“ Das streitbare Paar begann die Flitterwochen in Athen mit einer Auseinandersetzung über die relative Bedeutung der dorischen und der ionischen Architektur, von der keiner der beiden mehr wußte, als er heimlich aus einem billigen Führer auswendig gelernt hatte. Sie reisten weiter nach Istanbul, wo William sich in jeder Moschee niederwarf, während Philippa allein beim Eingang stand, schäumend darüber, wie die Türken Frauen behandelten.
    „Die Türken sind ein kluges Volk mit einem untrüglichen
    Sinn für echte Werte“, erklärte William.
„Warum bekehrst du dich nicht gleich zum Islam, William,
so daß ich nur einmal im Jahr vor dein Angesicht treten
müßte?“
„Der schicksalhafte Zufall der Geburt, unangebrachte Treue
und die Unterzeichnung eines unseligen Kontrakts verurteilen
mich dazu, den Rest meines Lebens mir dir zu verbringen.“ Nach Oxford zurückgekehrt, erhielten sie beide
Forschungsstipendien und begannen an ihren Colleges mit
ernsthafter, kreativer Arbeit. William machte sich an eine
umfangreiche Untersuchung über den Wortgebrauch bei
Marlowe, und in seiner spärlichen Freizeit brachte er sich
selber Statistik bei, um die Ergebnisse seiner Forschungen zu
untermauern. Philippa wählte den Einfluß der Reformation auf
die englischen Schriftsteller des 17. Jahrhunderts als Thema
und weitete dieses bald auch auf bildende Kunst und Musik
aus. Sie schaffte sich ein Spinett an und spielte abends gerne
Dowland und Gibbons.
„Um Himmels willen“, sagte William, erbittert über den
blechernen Klang, „du wirst doch ihre religiösen
Überzeugungen nicht aus den Notenschlüsseln ableiten?“ „Aufschlußreicher als ,Wenns’ und ,Abers’ ist das allemal,
mein Lieber“, antwortete sie gelassen, „und abends um so viel
gemütlicher als Töpfe und Pfannen.“
Drei Jahre später, nachdem beide ihren Dr. phil. mit
Auszeichnung gemacht hatten, schlugen sie, unerbittlich im
Tandem, die Universitätslaufbahn ein. Während der
Faschismus seinen langen Schatten auf Europa warf, lasen,
schrieben, kritisierten und paukten sie, ruhig am Kaminfeuer
der alterslosen Colleges sitzend.
„Ein ziemlich lahmer Jahrgang diesmal“, sagte William,
„aber ich habe es doch geschafft, daß fünf von elf meiner
Studenten mit Sehr gut abschlössen.“
„Bei mir war’s noch langweiliger“, sagte Philippa, „aber
irgendwie ist es mir gelungen, drei Sehr gut unter meinen
sechs herauszuholen, und du brauchst nicht den binomischen
Satz heranzuziehen, William, um auszurechnen, daß es, rein
arithmetisch gesehen, ein Sieg für mich ist.“
„Der Vorsitzende der Prüfungskommission berichtet mir“,
erwiderte William, „daß der größte Teil dessen, was deine
Schüler von sich geben, bloß auswendig gelernt ist.“ „Mir berichtet er“, antwortete Philippa, „daß die deinen alles
erst während der Prüfung erfinden.“
Wenn sie im College zusammen aßen, waren die
Zuschauerplätze stets rasch besetzt, und sobald das Tischgebet
gesprochen war, schossen ihre scharfen Reden und
Gegenreden über die Kerzenleuchter hinweg hin und her. „Es kommt mir das Gerücht zu Ohren, Philippa, daß sich das
College nicht imstande sieht, deinen Lehrauftrag mit
Jahresende zu erneuern?“
„Ich fürchte, das stimmt, William“, entgegnete sie. „Es wurde
entschieden, daß man meinen Lehrauftrag nicht erneuern
könnte, wenn man mir gleichzeitig deinen anbietet.“
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher