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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte
Autoren: Laura Parker
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empfahl Aggie, als Japonica ausgetrunken hatte. »Seine Lordschaft hat ein Brief, der gestern kam, sehr erregt.«
    »Gestern?« Japonica sprang auf. »Warum sagst du das nicht gleich?«
    »Damit ich dir das Frühstück verderbe? Trotz seines Gejammers hält er sich recht wacker.«
    Unverzüglich eilte Japonica zum Gemach des Viscount, nahm sich aber Zeit anzuklopfen, ehe sie eintrat. Seine Stimme war vor Schwäche ein heiseres Krächzen geworden.
    Trotz des strahlenden Tages lag der Raum hinter geschlossenen Läden im Halbdunkel. Unter seiner dünnen Musselindecke schien der alte Mann nur noch Haut und Knochen zu sein. Sein schütteres Haar wies die Farbe des Zinnpokals auf dem Tisch neben dem Bett auf, und sein Teint zeigte das ungesunde Rot verzehrenden Fiebers.
    »Guten Morgen, Mylord!«
    Er schlug die tief in den Höhlen liegenden, entzündeten Augen auf. »Meine süße Japonica! Es gibt Neuigkeiten.« Und befingerte den Brief, der auf der Decke lag. »Ein Bote brachte ihn in der Nacht. Würdest du ihn vorlesen, Kind?«
    »Gewiss.« Japonica nahm das Schreiben, wobei ihr auffiel, dass seine Finger eisig waren, während er am ganzen Körper glühte. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr.
    An ein Fenster tretend hielt sie die Nachricht in die Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen drangen. Was sie las, bewirkte, dass sich ihr die Härchen auf den Unterarmen sträubten. Der Brief kam von der East India Company. Die Mission Brigadegenerals John Malcolms, die diesen an den Hof Fath Ali Schahs führen sollte, war gescheitert, ehe er sein Ziel erreichte. Das Abkommen mit Napoleon hatte man bereits unterzeichnet. In weitem Umkreis war nun kein Brite, männlich oder weiblich, seines Lebens mehr sicher. Der Viscount und sein Personal sollten unverzüglich nach Bushire zurückkehren.
    »Unverzüglich«, murmelte Japonica. »Bismallah!«
    »Was sagen Sie?«
    »Nichts, Mylord.« Sie presste die Lippen zusammen. Wie sollte sie einen Schwerkranken sicher aus einer Stadt hinausschaffen, in der es von französischen Soldaten wimmelte?
    Von ihrem Vater wusste sie, dass die Bergstämme dem Schah nicht unbedingt ergeben waren und ihre Loyalität mit Gold zu kaufen war. Vielleicht ließen sich einige überreden, den Viscount und seine Begleitung in den Süden zu schmuggeln. Doch ihr Patient war zu krank, als dass man ihn eilends von der Stadt in die Berge hätte schaffen können. Um überhaupt ins Oberland zu gelangen, würde sie Hilfe brauchen.
    »Natürlich werden Sie Unterstützung benötigen«, sagte Lord Abbott nach einer Weile, als könne er ihre Gedanken lesen. Japonica bemerkte ein mattes Lächeln auf seinem vom Fieber gezeichneten Antlitz. »Wir sind auf die Dienste eines ganz besonderen Mannes angewiesen, des einzigen Mannes in Bagdad, der weder dem Einfluss des Schahs, noch jenem der Engländer oder Franzosen erlag.«
    »Sie denken an den Hind Div ? «, riet Japonica belustigt.
    »Genau den.« Er nickte schwach. »Den Hind Div ! «
    »Ich meine es nicht ernst.« Ihr verlegenes Lächeln vertiefte sich. Der indische Teufel, wahrhaftig! Lord Abbott litt eindeutig an Fieberfantasien. »Er ist zweifellos ein gerissener Bursche; doch glaube ich nicht an seine Vertrauenswürdigkeit.«
    »Was haben Sie gehört?« Der Viscount versuchte sich aufzusetzen und als es ihm nicht glückte, drehte er sich auf die Seite und stützte sich mühsam auf einen Ellbogen.
    Japonica beeilte sich, ihm Hilfe zu leisten. Als sie ihm die Kissen im Rücken zurechtrückte, sagte sie: »Er soll ein Spion, Dieb, Meuchelmörder und Ärgeres sein!«
    Lord Abbott nickte matt. »Ja, das mag stimmen. Einige behaupten, er stünde im Dienste Zamans, des Schahs von Afghanistan, der sowohl in persisches als auch indisches Gebiet einfällt. Wieder andere halten ihn für den Geist eines ermordeten und von Mohammed zum Leben erweckten Sultans, der alle farangi vernichten wird.«
    »Alle Europäer vernichten!« Japonica fühlte erneut, wie ihr ein Schauder über den Rücken lief; doch war sie nicht gewillt, wegen bloßer Gerüchte den Mut sinken zu lassen. »Ein dramatischer Ruf hat den Vorteil, dass man von allen gekannt und gefürchtet wird.«
    »So ist es.« Der Viscount musterte sie nachdenklich. »Er soll auch über magische Kräfte verfügen. Es heißt, dass er für das richtige Entgelt Menschen nach Belieben verschwinden lassen oder herbeizaubern kann.«
    »Wenn das nur wahr wäre«, murmelte Japonica vor sich hin. Ihre kleine Gesellschaft hätte es dringend nötig, aus
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