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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte
Autoren: Laura Parker
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Bagdad zu verschwinden und wohlbehalten in Bushire aufzutauchen. »Ich wüsste jedenfalls nicht, wo ich einen ähnlichen Menschen finden könnte.«
    »Hier ist für Sie eine Empfehlung.« Lächelnd deutete er mit einer matten Geste auf einen versiegelten Brief auf dem Schreibtisch.
    »Sie kennen ihn?«
    Sein Lächeln wurde breiter, als er ihre erstaunte Miene bemerkte. »Ich bin schon zu lange im Orient, um nicht auf jähe Schicksalswendungen gefasst zu sein. Wie man ihn findet, konnte ich andeutungsweise von den Dienern erfahren. Eine Beschreibung liegt bei.« Er sah sie mit fiebrigem Blick an. »Bleibt nur die Frage, ob Sie den Mut haben, ihn aufzusuchen?«
    Japonica überlief diesmal ein ahnungsvoller Schauder, wie sie ihn noch nie verspürt hatte. Den Hind Div aufzusuchen, stellte ein wahres Abenteuer dar! Reichte ihr Mut tatsächlich?
    Mit einem ernsten Nicken traf die im Schatten beherrschender Eltern aufgewachsene Tochter ihre erste selbstständige Entscheidung. »Ja, den habe ich!«
    »Es will mir nicht gefallen.« Aggie zog die rechte Schulter hoch und presste die dünnen Lippen vor Missbilligung zusammen, dass sie beinahe unsichtbar wurden. »Sieh dich an, braun wie ein Zaunkönig und Augen, die selbst eine houri erröten ließen! Dein eigener Vater würde dich nicht erkennen!«
    »Hoffen wir, dass meine Verkleidung alle täuschen wird«, erwiderte Japonica. Zuversichtlich blickte sie auf ihre dunklen Hände, die sie, wie ihr Gesicht, mit gemahlenen Walnüssen gefärbt hatte. Die Khol-Umrandung ließ ihre Augen tränen, verlieh deren Farbe aber einen exotischen Hauch. Ihr Haar bereitete mehr Schwierigkeiten. Um die rote Fülle zu verbergen, war ein dichter Schleier nötig. Ihr Vater hatte ihr beigebracht, sich zu verkleiden, um in den Basaren bessere Preise auszuhandeln. Außerdem beherrschte sie das hiesige Idiom so perfekt, dass niemand in ihr eine Britin vermutet hätte. Doch war es bei ihren Streifzügen noch nie um Leben oder Tod gegangen. Ihr Kräuterwissen hatte sie in diese Stadt geführt. Und jetzt muss-te sie ihren ganzen Verstand aufbieten, um nicht ihre und die Freiheit aller, die auf sie zählten, zu verlieren.
    Um Bedenken erst gar nicht Raum zu gewähren, griff sie nach einem schweren schwarzen Umhang, um ihr kunstvoll besticktes Seidengewand zu verhüllen. »Ich muss fort.«
    »Du solltest mich mitnehmen. Du solltest nicht...«
    Der Ausruf einer rauen Männerstimme auf der Straße lenkte Aggie ab. Sie drehte sich um und blickte aus dem vergitterten Fenster. »O je! Die Franzosen!«
    Japonica lief hin und beugte sich über die ältere Frau, um besser sehen zu können. Eine kleine Abteilung französischer Reiter war in die Gasse eingebogen. Die zwei Frauen hielten den Atem an, als der Hufschlag vor ihrer Tür verstummte und einer der Männer aus dem Sattel stieg.
    »Das möchte ich erleben, ob die uns festnehmen!«, schimpfte Aggie und krempelte zur Vorbereitung auf ein Handgemenge die Ärmel hoch. »Ich und mein Nudelholz haben es schon mit ganz anderen aufgenommen!«
    »Leise, Aggie!«, warnte Japonica und zog die Alte zurück, damit ihre Schatten nicht im Fenster sichtbar wurden.
    Es folgte kein Pochen. Stattdessen hörte man, wie die Männer aus dem öffentlichen Brunnen tranken. Nach kurzer Pause ritten die Soldaten weiter.
    »Dem Himmel sei Dank!«, murmelte Japonica erleichtert. »Lange kann es nicht dauern, bis man uns entdeckt.«
    Aggie bedachte sie mit einem ernsten Blick, der sofort in ein Lächeln überging. »Dann sieh lieber zu, dass du dich auf den Weg machst.«
    Momente später glitt Japonica, die Hand fest über einer schweren, unter dem Kleid befestigten Börse, aus einem Nebeneingang auf die von der späten Nachmittagssonne verschattete Straße.
    Die uralten, vor zweitausend Jahren angelegten Straßen der Stadt waren so breit, dass sie Kamelen und Pferden Platz boten. Die in den nachfolgenden Jahrhunderten errichteten Bauten aber hatten die ärmeren Viertel zu einem nahezu undurchdringlichen Gassenlabyrinth werden lassen. Sie bahnte sich vorsichtig den Weg durch schmutzige Passagen voller Menschen, im eigenen Schweiß schmorend, inmitten von Unrat und üblen Gerüchen, über deren Ursprung man lieber keine Betrachtungen anstellte. Einige Male musste sie umkehren, während sie sich bemühte, den sparsamen Direktiven zu folgen, die sie bekommen hatte. Jede Verzögerung kostete wertvolle Zeit. Und die Sonne sank unaufhaltsam tiefer und verwandelte die erstickenden Gassen in
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