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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter
Autoren: Lorentz Iny
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aufzulachen. Wie es aussah, war Grünfelder auf ein erotisches Abenteuer aus, wagte es aber nicht, den Tempel der Sünde allein zu betreten. Nun fragte er sich, ob der Bankier wusste, dass er vor einigen Jahren für ländliche Gutsherren und Fabrikbesitzer den Bärenführer auf den Pfaden käuflicher Liebe gespielt hatte. Wenn dem so war, schien es sein Ansehen bei Grünfelder nicht zu beeinträchtigen.
    »Wo ist denn dieses Etablissement zu finden?«, fragte er.
    »Es liegt in der Stallschreiberstraße in der Nähe des Spittelmarkts«, erklärte der Bankier und setzte hinzu, dass es
Le Plaisir
genannt werde.
    Bei diesem Namen riss es Fridolin beinahe aus dem Sessel. Im
Le Plaisir
war er während seiner ersten Jahre in Berlin Stammgast gewesen, allerdings weniger, um sich dort selbst der Mädchen zu bedienen, sondern, um seine Landbekanntschaften dorthin zu führen. Seit er Berlin vor Jahren verlassen hatte, waren seine Verbindungen dorthin abgerissen. Nun fragte er sich, wie es Hede Pfefferkorn wohl gehen mochte. Vor allem die Neugier, die Besitzerin des
Le Plaisir
wiederzusehen, brachte ihn dazu, auf Grünfelders Vorschlag einzugehen. »Wenn Sie es wünschen, begleite ich Sie in dieses Haus.«
    Grünfelder ergriff seine Hand. »Ich danke Ihnen, Herr von Trettin.«
    An dem alkoholgeschwängerten Atem des Bankiers erkannte Fridolin, dass dieser mehr getrunken hatte, als es seiner Selbstbeherrschung guttat. Offenbar verspürte Grünfelder unter dem Einfluss des Alkohols ein ungewohnt heftiges Verlangen nach einer Frau. Amüsiert fragte Fridolin sich, ob der Bankier überhaupt noch in der Lage war, sich mit einem von Hedes Mädchen im Separee zu tummeln. Aber das war nicht sein Problem.

V.
    D as
Le Plaisir
befand sich noch an der alten Adresse und unterschied sich nach außen hin nicht von den Villen der besseren Gesellschaft, die in den umliegenden Straßen zu finden waren. Was drinnen geschah, verbargen dicke Vorhänge vor den Fenstern. Da es am Haus weder ein Schild noch einen anderen Hinweis gab, würde kein Passant ahnen, dass sich darin je nach Standpunkt ein Tempel der Lust oder der Sünde befand.
    Als Fridolin aus der Droschke stieg, umspielte ein Lächeln seine Lippen, und er überlegte, wie lange er nicht mehr hier gewesen war. Es waren mehr als fünf Jahre, denn er hatte es im Dezember 1875 das letzte Mal betreten, und jetzt schrieb man April 1881.
    »Was meinen Sie, Herr von Trettin, wollen wir hineingehen?« Grünfelders Frage riss Fridolin aus seinen Gedanken. Das klang ganz danach, als wäre der Mut des Bankiers während der Droschkenfahrt deutlich geschrumpft.
    Fridolin dachte jedoch nicht daran, diese Entscheidung für ihn zu treffen. »Wenn es Ihr Wunsch ist, gehen wir hinein.«
    Grünfelder drehte sich nach der Droschke um. Da er den Fahrer bereits bezahlt hatte, fuhr dieser gerade davon. Für einen Augenblick wirkte der Bankier verunsichert, straffte dann aber die rundliche Gestalt und schritt auf den Eingang des
Le Plaisir
zu.
    »Hoffen wir, dass die Huren auch das halten, was mir versprochen wurde!«
    Fridolin lächelte. Hedes Mädchen waren nicht nur schön, sondern auch erfahren darin, einen Mann zufriedenzustellen.
    Kaum hatten sie den Klopfer betätigt, als auch schon geöffnet wurde. Anton, Hedes Türsteher, musterte sie mit prüfendem Blick, erkannte Fridolin jedoch nicht, sondern schätzte die beiden späten Gäste aufgrund ihrer Kleidung als wohlhabende Geschäftsleute ein. Er selbst trug eine Phantasieuniform, die ihm in fremden Ländern den Ehrengruß einheimischer Militärs eingetragen hätte.
    »Ich wünsche den Herren einen guten Abend. Darf ich erfahren, auf wessen Empfehlung sie hier erscheinen?«, fragte er leicht distanziert.
    »Wir …« Grünfelder warf Fridolin einen um Hilfe bittenden Blick zu.
    »Wir wünschen einen angenehmen Abend in anregender Gesellschaft«, fuhr Fridolin an seiner statt fort.
    Als Anton Fridolins Stimme hörte, zuckte er zusammen und starrte ihn an. Dann schüttelte er den Kopf. Dieser Mann mit dem blonden Kinnbart und dem gediegenen Aussehen konnte unmöglich der fröhliche junge Bursche sein, der vor einigen Jahren häufig als Begleiter betuchter Herren ins Haus gekommen war.
    Er beschloss, die Verantwortung an seine Herrin weiterzureichen, und machte eine einladende Handbewegung. »Wenn die Herren mir folgen würden!«
    Für einen Augenblick sah Grünfelder so aus, als wolle er auf der Stelle umkehren. Stattdessen aber ging er steifbeinig hinter
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