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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia
Autoren: Annegret Held
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die Ställe wehte und im Frühling und im Sommer die Margeriten und das Eisenkraut und die Kornblumen umherblühten, roch es schon wieder herrlich.
    In den wunderlichen, wohligen, scholmerbacherischen Schwaden wuchsen die Schwestern Hanna, Klarissa und Apollonia heran unter dem Regiment des Dapprechter Gustav, und der war ein rechter Patriarch und stapfte so starrsinnig und stracks herum mit seinem Kaiser-Wilhelm-Bart und sagte allem und jedem seine Meinung, ob der sie wissen wollte oder nicht.
    Mein Urgroßvater Gustav, so hieß es, hatte sich zum Beispiel mit aller Kraft dagegen gewehrt, dass im Dorf die Kinder und jungen Burschen einem Lumpenball nachjagten und diesen Unsinn, der sich überall verbreitete, »Fußball« nannten.
    »Ihr wollt Christenmenschen sein!«, schrie er. »Das aber seyn Spiele für die Hottentotten!!« Aber sie hatten nicht auf meinen Urgroßvater gehört, und sosehr er sie auch mit dem Stock gejagt und vertrieben hatte, es war nichts zu machen. Sie spielten es weiter, immer mehr, erst mitten im Dorf, und dann errichteten sie auch noch einen Platz unter dem Haselbacher Feld, und sie trafen sich mit den Hellersbergern und spielten gegeneinander, da konnte sich der Dapprechter Gustav auf den Kopf stellen. Die Hottentottenspiele verbreiteten sich über Ellingen und in Böllsbach und in Linnen und Wennerode und in ganz Deutschland, Deutschland war verloren.
    Dem Dapprechter Gustav gefiel es auch nicht, wenn seine Töchter sich mit den anderen in den Weidehecken trafen und sie dort heimlich Schnaps probierten und einander das Tanzen beibrachten. Der Pfarrer Heidenfeller war immer auf der Jagd nach den Burschen und Mädchen, die mit den Schnapskrügen in den Büschen lagen, da geriet er in Harnisch und drohte, sie mit dem Stock herauszuprügeln.
    Mein Urgroßvater war moralisch ganz auf seiner Seite und hütete streng die Sitten.
    Aber er erzog nicht nur seine Töchter und schlug sein Vieh, wenn es nicht gerade in der Spur ging, er belehrte nicht nur die Jugend, wie sie zu Christenmenschen wurden und nicht zu Hottentotten. Nein, er musste auch ein Vorbild sein, wie man ordentlich seine Kühe fütterte. Wenn er des Weges ging und ein Bauer kam mit einer mageren Kuh, dann nahm er seinen Hut und hängte ihn der Kuh an die Kruppe, sodass der Hut an dem mageren Hüftknochen hängenblieb. Dann lachte der Gustav grimmig, wenn auch nicht laut, da ja das laute Lachen ein Zeichen war von äußerst geringem Verstand und nur etwas für die allerdümmsten Tölpel.
    Im Ersten Weltkrieg war Gustav 1916 noch eingezogen worden und hatte gegen die Franzosen gekämpft und bei der Schlacht an der Somme den Erbfeind beschossen. Aber dann war von allen er allein nach Scholmerbach zurückgekehrt, die anderen waren auf dem Schlachtfeld geblieben und verreckt wie die Hunde, und jetzt standen deren Namen eingemeißelt auf dem Kriegerdenkmal, die alten Dorfnamen, von allen war einer dabei.
    Dann war der Krieg vorbei, und den Kaiser hatten sie fortgejagt, und die drei Schwestern trauerten um ihn und hatten noch ein großes Bild von der Kaiserfamilie an der Wand und eines von einer Pralinenschachtel, die hatte es einmal in einer Christnacht gegeben für einen verkauften Schinken.
    Wenigstens der Dapprechter Gustav behielt den Kaiserbart und war so aufrecht wie der Kaiser und ging auch wie der Kaiser durch den Kuhstall und sah streng nach, dass alle Kühe ordentlich dastanden und die Kälber gut im Futter, die Sensen ordentlich gedengelt waren und die Ställe weiß gekalkt. Er prüfte, ob die Furchen im Acker kerzengerade gezogen waren und die Wagenräder mit Stauferfett geschmiert, und dann sah er nach, dass sein Misthaufen aufgeschichtet war, so gerade wie mit dem Lot gezogen. Er hatte den aufrechtesten und respektabelsten und akkuratesten Misthaufen vom ganzen Dorf.
    Darum mussten die drei Töchter ebenso ordentlich und streng und aufrichtig im Stall und auf dem Feld ihre Arbeit tun und Vieh füttern und Sauerkraut schneiden und Körbe schleppen und Kartoffeln lesen und die Kühe sauber halten und ihnen jeden Tag die Schwänze waschen.
    Da sagten die Leute im Dorf: Seht einmal, die drei Dapprechter Mädchen, immer die Schönsten von allen, aber sie müssen jeden Tag den Kühen den Schwanz und das Hinterteil waschen! Und wenn die Kühe ein schönes Hinterteil hatten, rund und sauber und gut genährt waren, sogar in der ärmsten Zeit, und er sie vorzeigen konnte, genau wie seine Töchter, die parierten und nicht dumm lachten,
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