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Apocalypsis 3.06 (DEU): Tesserakt. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)

Apocalypsis 3.06 (DEU): Tesserakt. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)

Titel: Apocalypsis 3.06 (DEU): Tesserakt. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
Autoren: Mario Giordano
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haben sollen … das hat Paulus später alles erfunden, um die Dramatik zu erhöhen. Der Einzug nach Jerusalem sollte den Beginn des Leidensweges Christi markieren. Tatsächlich hat niemand auch nur Notiz von uns genommen, geschweige denn Palmzweige geschwungen. Mein Vater war einfach nur ein weiterer zerlumpter Rabbi aus dem Norden, und von dieser Sorte wimmelte es in Jerusalem schon damals nur so. Jedenfalls … in Emmaus lebte ein Bruder meiner Mutter, der uns vielleicht helfen konnte, das Land zu verlassen, denn mein Vater fürchtete, dass der Präfekt Pilatus es sich noch einmal anders überlegen würde. Ich erinnere mich, dass meine Eltern den ganzen Weg über davon sprachen, wie sie aus Judäa rauskommen und wohin sie sich wenden könnten.
    Ich war damals noch sehr klein, mein Vater hatte gerade erst begonnen, mir Lesen beizubringen. Ich erinnere mich, dass es ein sehr schwüler Tag war. Ich hatte Kopfschmerzen und wollte nicht aus dem Haus. Außerdem fand ich die Stadt viel aufregender als unser galiläisches Dorf. Und ich wollte das Pessachfest nicht verpassen, die Feiern im großen Tempel und auch die Hinrichtungen am Schädelberg. Ich hatte noch nie eine Hinrichtung gesehen, stellte sie mir aber als großartiges Schauspiel vor. Ohnehin faszinierten mich die römischen Truppen mit ihrem Gepränge, den Helmen, Pferden und Schwertern. Ich verstand damals nichts von dem, was mein Vater predigte. Diese ganze Sache mit ›die andere Wange hinhalten‹. Man muss sich doch wehren, dachte ich, denn wenn du dich nicht wehrst, wird dir auch noch das Wenige genommen, was du besitzt. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebte meinen Vater und hielt ihn für den klügsten Menschen auf der Welt, aber ich fand eben, dass er in dieser Hinsicht viel zu weich war.«
    Bar-Kleophas nippte an seinem Minztee und starrte auf die Kirche auf der anderen Straßenseite, als ob sich seine Erinnerungen an jene Tage vor über zweitausend Jahren dort im Hitzedunst zu einem Film verdichten würden.
    »Erzählen Sie bitte weiter«, forderte Don Luigi ihn schließlich auf.
    Bar-Kleophas wandte seinen Blick von der Kirche ab, stellte seine Tasse vorsichtig auf den Tisch zurück und sah Don Luigi an. »Mein Vater setzte mich und meine Mutter auf den Esel und gab mir eine alte Zedernholztruhe, die ich festhalten sollte. Ich hatte damals keine Ahnung, was sich darin befand, aber ich ahnte, dass es etwas sehr Wertvolles sein musste. Ich vermutete, dass mein Vater sie gestohlen hatte und wir deswegen fliehen mussten. Das machte mich wütend, denn ich wollte nicht weg aus Jerusalem. Ich wollte nicht, dass mein Vater ein gemeiner Dieb war. Aber als ich ihn darauf ansprach, sagte er, die Truhe sei meinem Großvater einst von einem mächtigen König geschenkt worden, und sie sei unser rechtmäßiges Eigentum.
    Wir erreichten Emmaus gegen Abend und kamen, wie gesagt, bei der Familie meiner Mutter unter. Wir waren jedoch nicht besonders willkommen, denn mein Onkel fürchtete sich vor einer groß angelegten Razzia der Römer. Er warf meinem Vater vor, die ganze Familie in Lebensgefahr zu bringen, und wollte uns so schnell wie möglich wieder aus dem Haus haben. Er drohte sogar, uns an die Römer auszuliefern, wenn wir sein Haus nicht alsbald wieder verließen. Mein Vater war kein streitbarer Mann, im Gegenteil erinnere ich mich an ihn als überaus sanftmütig. Er konnte manchmal sogar richtig komisch sein, und selbst, wenn ich etwas kaputtgemacht hatte, schimpfte er nie mit mir. Eine strenge Ermahnung war das Äußerste. An jenem Abend aber, im Haus meines Onkels, wurde er so wütend, wie ich ihn davor und danach nie wieder erlebt habe. Er schrie meinen Onkel an, dass er keine Ehre habe, dass er schlimmer sei als Yehuda Ish-Qeryot, und dass Gott ihn dafür bestrafen würde. Meine Mutter versuchte zu vermitteln und appellierte an beide, Vernunft anzunehmen und eine Lösung zu finden. Aber die beiden Männer waren nicht zu beruhigen. Der Streit eskalierte. Mein Onkel nannte meinen Vater einen arbeitsscheuen Schmarotzer und Scharlatan, mein Vater beschimpfte meinen Onkel als hartherzigen Günstling der Römer, als Wucherer und Verräter am eigenen Volk. So viel übrigens zu ›die andere Wange hinhalten‹. Ich war ziemlich erschüttert, meinen Vater so wütend zu sehen, aber gleichzeitig auch stolz, denn auf einmal wehrte er sich, ließ sich nichts mehr bieten. So hatte ich ihn mir als Kind öfter gewünscht, so stark und unbeugsam. Verstehen Sie? Ein
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