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Apocalypsis 3.05 (DEU): Kleophas. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)

Apocalypsis 3.05 (DEU): Kleophas. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)

Titel: Apocalypsis 3.05 (DEU): Kleophas. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
Autoren: Mario Giordano
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unselige Geschichte, die sich in ihnen entwickelte, zunehmend an Fahrt gewinne, um unweigerlich in die Apokalypse zu münden. Rahel hatte die ganze letzte Nacht durchgemalt. Jetzt war sie fertig, das letzte Bild war gemalt. Rahel wusste, dass es das letzte Bild dieser Serie war, womöglich das letzte, das sie je malen würde. Dieses letzte Bild zeigte eine tote, vollkommen erloschene Welt, verlassen von aller Gnade und auch dem Bösen, das sie infiziert und vernichtet hatte. Eine Welt des Lichts, aber ohne Hoffnung, und in der Mitte dieser Welt glühte wie eingebrannt ein uraltes Symbol. Ein doppelter Kreis.

    Rahel wusste selbst nicht mehr, warum sie dieses Symbol der erloschenen Welt aufgeprägt hatte wie ein Brandzeichen. Aber je länger sie das Bild betrachtete, desto klarer wurde ihr, dass dieses Bild mehr war als eine Vision ihrer überspannten Fantasie. Dies war die Zukunft.
    Im freundlichen Licht des römischen Vormittages hielt Rahel erschöpft inne, trank lauwarme Cola aus der Flasche und betrachtete die Bilder, die sie überall in dem kleinen Zimmer aufgestellt hatte, schön der Reihe ihres Entstehens nach. Ganz gegen ihren gewohnten Stil glichen die Bilder nun großformatigen Comics. Manche in leuchtenden Farben, andere wieder einfarbig und düster. Die ersten zeigten hügelige Wüstenlandschaften der Jerusalemer Umgebung, ein kleines geducktes Dorf, menschliche Schatten, die sich verloren vor einer festungsartigen kleinen Kirche bewegten. Rahel hatte das Dorf und die Kirche mehrfach aus verschiedenen Blickwinkeln gemalt, einmal sogar aus der Vogelperspektive. Wie einen vertrauten Ort ihrer Kindheit, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob dieses Dorf überhaupt existierte. Die nächsten Bilder zeigten Jerusalem, die Altstadt, den Tempelberg. Allmählich befreiten sich die Schatten aus dem Ungefähren, bekamen Gesichter und Gestalt. Rahel erkannte sich selbst, verfolgt von einem Priester mit einem grauen Pferdeschwanz. Der Priester tauchte in den folgenden Bildern noch öfter auf, immer in Begleitung eines weiß gekleideten Jungen ohne Augen. Einmal tötete er Shimon Kohn und seine Familie auf bestialische Weise, dann eine dunkelhaarige Frau, der er ein blaues Amulett entriss, ganz ähnlich dem, das Shimon Kohn ihr gegeben hatte. In einem der nächsten Bilder erschien eine Nonne, umringt von durchscheinenden echsenartigen Wesen. Sie rief einem am ganzen Körper tätowierten Mann etwas zu, aber der Mann schien sie nicht zu hören. Im folgenden Bild hatte Rahel sich selbst in der kleinen Kirche gemalt, abseits einer Gruppe von Menschen, die etwas aus dem Kirchenboden hoben. Eine Kiste, bedeckt mit fremdartigen Schriftzeichen und Symbolen. Dann ein Blick auf den Tempelberg. Der Platz zwischen Felsendom und al-Aqsa-Moschee lag verlassen da. Am Rand war ein Schuttberg zu sehen, in dem die Nonne und ein weiterer Priester etwas suchten. Der tätowierte Mann, der Priester mit dem Pferdeschwanz und der weiß gekleidete Junge sahen aus einiger Entfernung zu, als ob sie abwarteten, was die beiden finden würden, um es ihnen dann zu entreißen. Dann kamen die letzten drei Bilder. Der weiß gekleidete Junge und der tätowierte Mann waren dabei, eine Art Urne zu öffnen. Auf der Urne war ein leuchtendes Spiralsymbol eingeprägt. Das vorletzte Bild zeigte die geöffnete Urne auf einem Berg von Leichen in allen Stadien der Verwesung. Das letzte Bild zeigte einen Straßenzug in einer namenlosen Großstadt. Aber kein Mensch war zu sehen, nicht einmal mehr Schatten, keine Seele. Häuser und Autos verwittert und verrottet. Statt einer Sonne ging gerade das Doppelkreissymbol am Horizont auf und erfüllte die Szenerie mit fahlem, bläulichem Licht. Rahel hatte dieses letzte Bild nur noch in groben Strichen gemalt, und obwohl sie nicht sagen konnte, um welche Stadt es sich handelte, war ihr klar, dass sie ohnehin nur eine Metapher für das Ende der Welt darstellte.
    Aber nicht dieses letzte Bild erschreckte sie am meisten. Mehr als vor jedem anderen fürchtete sich Rahel vor einem Bild in der Mitte des Zyklus. Denn es zeigte ihren eigenen Tod. Der Tod war ein gleißendes Licht, das sie verbrannte, und Rahel wusste, dass sie nichts daran würde ändern können. Es war nur eine Frage der Zeit.
    Nachdem sie die Bilder eine Weile mit wachsendem Entsetzen angestarrt hatte, traf sie eine Entscheidung. Sie brauchte Hilfe. Hilfe, die Bilder zu deuten. Hilfe, vielleicht doch zu überleben. Denn falls dieser Zyklus überhaupt irgendeinen Sinn
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