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Apartment in Manhattan

Apartment in Manhattan

Titel: Apartment in Manhattan
Autoren: Wendy Markham
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unterhakt.
    Wir bahnen uns den Weg durch den Raum, und ich schnappe mir einen Daquiri vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners, der nur aus Muskeln besteht und bis auf einen winzigen Tanga-Slip praktisch nackt ist.
    „Du hast Kellner engagiert?“ frage ich Raphael, der den Kopf schüttelt.
    „Tracey! Das ist Jones“, sagt er. „Du kennst ihn bereits.“
    „Jones? Einfach Jones?“
    „Einfach Jones.“
    „Ich erinnere mich nicht an ihn.“
    „Aber natürlich tust du das.“
    „Nein, tue ich nicht.“
    „Aber selbstverständlich, Tracey. Er ist der Tänzer. Der von Long Island. Der mit dem Ballettröckchen-Fetisch.“
    Raphael hat diese unangenehme Angewohnheit darauf zu bestehen, dass man bestimmte Leute kennt oder schon an bestimmten Orten war, obwohl man nicht die geringste Ahnung hat, wovon er eigentlich spricht. Das passiert ständig. Früher habe ich mit ihm darüber diskutiert.
    Inzwischen zucke ich nur die Achseln, lasse ihn reden und tue so, als ob ich Jones kenne.
    Beachten Sie, dass in Raphaels Freundeskreis ähnlich wie in Musikerkreisen die Leute nur einen Namen haben. Jones und Cristoforo. Cher und Madonna.
    Ich weiß noch nicht so recht, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen soll, aber sie erscheint mir sehr wesentlich. Gerade will ich sie Raphael mitteilen, doch er fährt mit seiner Erklärung fort.
    „Jones wird im Chor in einer Sommer-Produktion von
Hello, Dolly
in Texas singen, stelle dir vor, von allen gottverlassenen Plätzen ausgerechnet Texas! Also habe ich ihm vorgeschlagen, ein Tablett zu nehmen und so zu tun, als würde er für die Show üben. Eigentlich habe ich erwartet, dass er einen Smoking trägt, irgendwas Klassisches mit Rockschoß, aber Tracey, du kennst ja Jones und sein höllisches Bedürfnis, seinen Körper zur Schau zu stellen.“
    Wie gesagt, ich kenne weder Jones noch sein höllisches Bedürfnis, seinen Körper zur Schau zu stellen, doch ich tue so als ob, und verdrehe unisono mit Raphael die Augen. Trotzdem muss ich nachfragen, weil ich den Zusammenhang nicht kapiert habe. „
Hello Dolly
?“
    „Ja, ja, ja, du weißt schon – die Harmonia-Gardens-Szene mit den tanzenden Kellnern.“
    Stimmt, das weiß ich, aber noch bevor ich das Raphael sagen kann, spricht er, in der Annahme, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, hastig weiter. „Also dieser Tanzwettbewerb und der Treppenaufgang und ,so nice to have you back where you belong‘. Pssst, pssst, wir sind schon fast da“, murrt Raphael ungeduldig und bringt mich mit einer Geste zum Schweigen, als ob ich diejenige bin, die hier permanent quasselt.
    „Fast da“ bedeutet, dass wir fast vor Alexanders, Josephs und Raphaels Objekt der Begierde stehen. Er wirkt schrecklich ruhig und, nun, normal, viel zu normal für Raphaels Geschmack, aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass er zwischen den beiden aufgetakeltsten Männern im Raum steht.
    „Aruba … Jamaica … ooh, I want to take him … Tracey, ist er nicht umwerfend?“ singt Raphael schwärmerisch in mein Ohr, im Takt zu „Kokomo“, das jetzt laut über die Anlage den Raum erfüllt.
    „Er ist ganz süß“, stimme ich zu. „Aber nicht umwerfend.“
    Er sieht entsetzt aus. „Tracey! Wie kannst du so etwas sagen? Er ist definitiv umwerfend!“
    Ich schaue noch einmal genauer hin.
    Der Typ trägt kurzes braunes Haar, einfach schlichtes, kurzes braunes Haar und nicht eine von Cristoforos aussagekräftigen Frisuren oder Colorationen, die hier so angesagt sind. Er hat braune Augen, eine hübsche Nase und einen hübschen Mund – also die Art von Mann, von dem man erwartet, dass er Gymnasiallehrer ist oder ein Kleinkind in einem Einkaufswagen durch den Supermarkt schiebt oder den eigenen Rasen in einer Vorstadtsiedlung pflegt. Die Art von Mann, die man so ziemlich überall erwartet, nur nicht hier.
    Aber hier ist er, ein Durchschnittstyp inmitten einer Meute von ungeheuerlichen Josephs und Alexanders und Jones’ – was, wie ich vermute, exakt der Grund dafür ist, dass Raphael sich zu ihm hingezogen fühlt.
    „Joseph!“ schreit Raphael und bewegt sich weiter auf sie zu. „Ich liebe deinen Sarong! Und deinen auch, Alexander! Und du … wer immer du bist, ich liebe diesen Pulli. Banana Republic?“
    „Keine Ahnung“, antwortet der Typ und rümpft die Nase ein wenig.
    Er ist doch ziemlich umwerfend. Und ich bemerke, dass seine Augen, von denen ich aus der Entfernung annahm, dass sie braun sind, in Wirklichkeit grünlich schimmern. Er sieht wie ein
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