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Apartment in Manhattan

Apartment in Manhattan

Titel: Apartment in Manhattan
Autoren: Wendy Markham
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sie: „Du würdest also deinen Job kündigen, den du seit nicht mal zwei Monaten hast …“
    „… über zwei Monate!“
    „Gut, über zwei Monate“, fährt sie fort, „und dann – was? Hast du vor, Will überall dorthin zu folgen, wo er hingeht? Was würdest du tun?“
    „Vielleicht Theaterkulissen bauen oder als Kellnerin jobben. Keine Ahnung. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Ich weiß nur, dass ich den Gedanken nicht ertragen kann, den Sommer in dieser Hölle ohne Will zu verbringen.“
    „Weiß Will das schon?“
    Ihre Frage ist völlig eindeutig, aber trotzdem zögere ich. „Was soll Will schon wissen?“
    „Dass du dir überlegst, ihn zu begleiten.“
    „Nein“, gebe ich zu.
    „Wann fährt er denn?“
    „In ein paar Wochen.“
    „Vielleicht ändert er ja noch bis dahin seine Meinung und bleibt hier.“
    „Nein. Er sagt, dass er unbedingt mal aus der Stadt raus muss.“
    Kate zieht die Augenbrauen hoch und deutet damit an, was sie insgeheim vermutet – dass Will nicht nur vor der Stadt flieht. Wenn sie diesen Verdacht tatsächlich ausspricht, werde ich ihr sagen, dass sie sich täuscht.
    Aber so sicher bin ich mir da nicht.
    Und das ist der Hauptgrund, warum ich Will in diesem Sommer nicht allein lassen möchte. Denn seit wir vor drei Jahren gemeinsam nach New York gekommen sind, ist unsere Beziehung ungefähr so stabil wie ein japanisches Billigmodel bei hundertdreißig Stundenkilometern – in der Haarnadelkurve. Bei Wind. Und Regen.
    Wir haben uns auf dem College kennen gelernt, als wir beide gerade dort angefangen hatten. Will kam von einer bekannten Universität aus dem Mittleren Westen auf die liberale SUNY. Er verachtete das konservative, von traditionellen amerikanischen Werten geprägte Gehabe sowohl seiner alten Uni als auch seiner Familie.
    Ich wusste genau, was er meinte. Vielleicht fühlte ich mich deshalb sofort zu ihm hingezogen. Die kleine Stadt im Westen des Staates New York, in der ich aufwuchs, hatte große Ähnlichkeit mit dem Mittleren Westen, den Will verabscheute.
    Da war zum einen der Akzent, der die Menschen verriet, egal ob im Bundesstaat New York oder in Chicago. Dazu kam in meinem Fall auch noch, dass ich, wie alle in meiner Familie und meinem Bekanntenkreis, katholisch war. Außer meiner Freundin Tamar Goldstein, das einzige jüdische Mädchen auf der Brookside High School, mussten wir alle bei den religiösen Festivitäten des High Holy Days im Oktober mitmachen. Ausnahmen gab es nicht.
    Dann war da meine weit verzweigte italienische Familie, in der Tradition groß geschrieben wurde: Sonntags ging man um 9:30 in die Kirche, anschließend gab es Kaffee und Cannoli im Haus meiner Großmutter mütterlicherseits, gefolgt von Spaghetti im Haus meiner Großmutter väterlicherseits. So begann jeder einzelne Sonntag meines gesamten Lebens, und für immer und ewig werde ich die Narben davontragen – in Form von einer gewaltigen Cellulite.
    Will dagegen ist evangelisch, und seine Vorfahren stammen aus England und Schottland. Er spricht akzentfrei, er hat keine Cellulite, und im Haus seiner Eltern kommt die Spaghettisauce direkt aus dem Glas.
    Aber trotzdem war uns gemeinsam, dass auch er einer beklemmenden Routine entfliehen und nach New York City gehen wollte, solange er zurückdenken konnte. Doch während er die State University of New York in Brookside als einen großen Schritt in die richtige Richtung empfand, brachte ich es nicht übers Herz ihm zu sagen, dass Brookside kein bisschen besser als Iowa im Mittleren Westen war. Schließlich fand er es selbst heraus, mit dem Ergebnis, dass er nicht mal die Abschlussfeier mitmachte, weil er so schnell wie möglich der spießigen Kleinstadtatmosphäre entrinnen wollte.
    Als wir uns im ersten Semester kennen lernten, hatte Will zu Hause in Des Moines eine Freundin, und ich wohnte drei Meilen vom Campus entfernt bei meinen Eltern. Unsere Beziehung entwickelte sich allmählich, und das lag ausschließlich an Will. Im Nachhinein habe ich erkannt, dass er hin- und hergerissen war: Er betrog seine Freundin und wollte mit ihr Schluss machen, während er mich im Grunde genauso behandelte, weil er am liebsten ständig mit anderen Mädchen ins Bett gegangen wäre.
    Er sprach ganz frei über sie, in einer so lässigen Art und Weise, dass es mich verrückt machte, denn das musste ja bedeuten, dass er uns beide in erster Linie als gute Kumpel sah und nicht mehr. Wann immer ich unangemeldet in sein Apartment platzte und er gerade
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