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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Graves’ Worten. Als hätte das, worüber er berichtete, ein solches Gewicht, dass es selbst durch seine bewusste Verschleierung hindurchschimmerte.
    »Warum ich?«, fragte er schließlich.
    »Weil wir den Besten brauchen«, antwortete Graves. »Dass man dich hier auf dieses Abstellgleis geschoben hat, ist ein himmelschreiendes Unrecht. Es spielt keine Rolle, was früher gewesen ist oder nicht. Ein Mann mit deinen Fähigkeiten gehört nicht hierher. Kapazitäten wie die deinen zu verschwenden ist ein Verbrechen!«
    »Dein Mitgefühl rührt mich zu Tränen«, sagte Mogens.
    Graves’ linke behandschuhte Hand machte eine wegwerfende Geste. »Ich bin nicht gekommen, um dich um Vergebung zu bitten, Mogens«, antwortete er. »Ich erwarte nicht, dass du das kannst, auch wenn ich die Ereignisse jenes unglückseligen Abends verständlicherweise etwas anders sehe als du. Ich bin gekommen, weil wir für unser Projekt einen guten Mitarbeiter suchen, einen Mann mit speziellen Fähigkeiten, und weil ich weiß, was du kannst, Mogens. Ich habe nicht alle Zeit der Welt. Denk über mein Angebot nach, und dann entscheide dich.«
    Er griff in die Jackentasche, zog einen Briefumschlag hervor und legte ihn vor Mogens auf den Tisch. Seine Handschuhe schienen dabei zu pulsieren, als hätten sich seine Finger irgendwie verflüssigt und versuchten nun, ihr Gefängnis aus schwarzem Leder zu sprengen.
    »In diesem Kuvert befindet sich eine Bahnfahrkarte erster Klasse nach San Francisco. Darüber hinaus der Betrag von fünfhundert Dollar in bar, um deine Reisespesen und eventuelle andere Unkosten zu decken. Solltest du dich entscheiden, mein Angebot abzulehnen, kannst du diesen Betrag auf jeden Fall behalten. Falls du es jedoch annimmst – was ich aufrichtig hoffe –, findest du in dem Umschlag noch eine Telefonnummer, unter der du mich erreichst. Wenn du vom Bahnhof aus anrufst, lasse ich dich binnen einer Stunde abholen.«
    Und damit nahm er den heruntergebrannten Rest seiner Zigarette aus der Spitze, schnippte ihn zielsicher in das flackernde Feuer im Kamin und ging ohne ein weiteres Wort zur Tür. Bevor er sie öffnete und das Zimmer verließ, blieb er jedoch noch einmal stehen und sagte: »Ach, und noch etwas. Falls es dir bei deiner Entscheidung hilft: Du wirst nicht unmittelbar mit mir zusammenarbeiten müssen. Ich denke nicht, dass wir uns öfter als ein- oder zweimal die Woche sehen werden.«
    Damit ging er.
    Mogens starrte wie gelähmt auf den Briefumschlag. Er hatte nicht wirklich an der Ernsthaftigkeit von Graves’ Offerte gezweifelt, auch wenn er sich über dessen Beweggründe weniger im Klaren war denn je. Jonathan Graves war der vielleicht rücksichtsloseste Mensch, dem er jemals begegnet war, aber er war nicht dumm. Ein solch infantiler Scherz hätte einfach nicht zu ihm gepasst. Und fünfhundert Dollar waren einfach zu viel, um sie in einen bloßen Witz zu investieren. Es war mehr, als er in drei Monaten an dieser so genannten Universität verdiente; und nahezu ebenso viel, wie er in den vier Jahren seines freiwilligen Exils hatte zurücklegen können.
    Das Geld selbst zählte jedoch nicht. Er verschwendete überhaupt nur insofern einen Gedanken daran, als es die Seriosität von Graves’ Angebot zu beweisen schien. Unendlich viel wichtiger war das, was dieser Umschlag bedeutete. Nichts anderes nämlich als einen Ausweg aus der Sackgasse, in diedas Schicksal und er selbst sich in den letzten Jahren hineinmanövriert hatte.
    Die Tür wurde geöffnet, und Mogens fuhr fast erschrocken herum, halb darauf gefasst, Graves zurückkommen zu sehen, wie er sich vor Lachen ausschüttete, und um sich an seinem fassungslosen Gesicht zu weiden, wenn er ihm eröffnete, dass sein großzügiges Angebot ebenso wie sein bizarres Betragen nur Teil eines verspäteten Studentenulks waren.
    Statt Jonathan Graves trat jedoch Miss Preussler ein, bewaffnet mit einem Zinkeimer voller dampfender Seifenlauge, Kittelschürze und einem ganzen Bündel Wischlappen. Ohne ein Wort zu verlieren, ging sie an Mogens vorbei, ließ sich auf die Knie sinken und begann an einem der Schmierflecken zu schrubben, die Graves auf dem Teppich hinterlassen hatte. Obwohl sie Mogens dabei den Rücken zudrehte, konnte er sehen, dass sie vor Scham und Verlegenheit hochrot angelaufen war.
    Plötzlich sagte sie: »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie peinlich mir das ist, Professor.«
    »Das muss es nicht«, antwortete Mogens, aber Miss Preussler schien seine Worte gar
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