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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020
Autoren: Alexander Kröger
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verstohlen zu seiner Reisegefährtin. Sie hatte unterdessen eine satirische Zeitschrift aufgeschlagen und verdeckte damit die Partien, denen Monig jetzt, im Schutze der Sonnenbrille, mit Ruhe seine Aufmerksamkeit widmen wollte.
    Er kannte das Heft und fand die meisten Beiträge ziemlich fad. Also würde ihre Lektüre, hatte sie einen ähnlichen Geschmack, nicht von langer Dauer sein.
    Der Automat kam Thomas zu Hilfe. Er warf die unvermeidlichen Bonbons in die Schalen am Sitz, und der Bildschirm mahnte in vier Sprachen mit einem aufdringlichen Summton, sich auf den Start vorzubereiten. Altmodische Angelegenheit, dachte Thomas.
    Die Zeitschrift sank, und bei Monigs Gegenüber zeigten sich glücklicherweise Schwierigkeiten beim Schließen des Sicherheitsgurts. Der automatische Verschluß hatte einen überdimensionalen Zierknopf ihres Kleides eingeklemmt.
    Er ergriff die Gelegenheit. »Darf ich?« fragte er und faßte schon zu. »Das ist in jedem Flugzeug anders«, sagte sie, ihr Ungeschick gleichsam entschuldigend.
    Aha, so oft ist sie noch nicht geflogen, folgerte Thomas. »Ja«, sagte er klug, »es wäre an der Zeit, auch solche Kleinigkeiten international zu standardisieren.«
    Der Bordfunk flüsterte den Reisenden den Wetterbericht ins Ohr und wies darauf hin, daß ausnahmsweise heute der Flug länger in unteren Atmosphärenschichten erfolgen müsse. Der Sprecher gab einen diskreten Hinweis, daß sich die imprägnierten Tüten in den Seitentaschen der Sitze befänden. »Die brauche ich nicht«, sagte Thomas erhaben zu seinem Gegenüber.
    Sie lächelte besserwissend, hatte er den Eindruck. Aber was sie sicher nicht wußte war, daß er vor dem Einsteigen verstohlen zwei Pillen geschluckt hatte – gegen die Flugkrankheit.
    Thomas schien, sie war blasser geworden. »Haben Sie Bedenken?« fragte er. »Leider Erfahrungen«, antwortete sie.
    Thomas wurde großmütig und vertraute ihr neben seinem Geheimnis zwei seiner kostbaren Pillen an. Sie nahm sie skeptisch und schluckte sie hoffend.
    Das Eis war gebrochen.
    »Thomas Monig«, stellte er sich vor. »Kavor, Evelyn«, erwiderte sie zögernd.
    Zweimal in meiner Umgebung dieser schrecklich antiquierte Vorname, dachte er belustigt. Ev, was wird sie jetzt machen? Der Abschied war kühl gewesen. Kein Wunder, nach der Auseinandersetzung. Warum war sie auch so heftig? Sie mußte doch merken, daß ich eingelenkt habe – schon allein, weil ich nun zur Antarktis fliege, auch wenn ich nicht überzeugt bin, daß das Praktikum für mich so unbedingt notwendig ist.
    Ich werde ihr schreiben, sobald sich eine Gelegenheit ergibt, nahm Thomas sich vor.
    »Bleiben Sie in Moskau?« fragte er.
    »Nein, ich fliege weiter nach dem Süden, übermorgen.« »Darf ich fragen, wohin?« Thomas wurde hellhörig.
    »Erst nach Kapstadt«, antwortete sie bereitwillig. »Mir graust vor der Fliegerei.«
    »Das finde ich aber merkwürdig«, rief Thomas. »Dorthin muß ich nämlich auch, offenbar mit der gleichen Maschine. Die Linie wird doch nur zweimal in der Woche beflogen. Nun sagen sie bloß noch, Sie wollen nach Mirny!«
    »Ja«, bestätigte sie überrascht.
    , Thomas brauchte einige Augenblicke der Sammlung und lehnte sich kopfschüttelnd zurück. Da glaubte er, ihr mit seinem Flug in die Antarktis mächtig imponieren zu können, und nun das!
    Aber näher betrachtet, ist der Zufall nicht so groß, überlegte er. Wer nach Mirny will und in Moskau noch die üblichen Formalitäten zu erledigen hat, der muß dieser Tage fliegen, um in Kapstadt den planmäßigen Anschluß zu bekommen. Zufall ist, daß wir im gleichen Flugzeug sind und uns gegenübersitzen. Sicher werden sich in Moskau noch einige Antarktisfahrer zu uns gesellen.
    Im Augenblick war er mit seinem Geschick zufrieden. Die »andere Evelyn«, wie er sie bei sich zu nennen beschloß, gefiel ihm. Sie hatte eine angenehme dunkle Stimme und sehr ebenmäßige weiße Zähne, Merkmale, die bei ihm immer Sympathie auslösten. Sie war groß, trug die Haare extrem kurz geschnitten.
    Thomas sah so unauffällig wie möglich nach ihren Augen. Richtig. Sie gaben dem Gesicht diesen eigenartigen Reiz. Sie waren hellgraublau, ein seltener Kontrast zum fast schwarzen Haar. Ihr Gesicht war nicht eigentlich hübsch. Die Nase vielleicht eine Idee zu kurz, die Jochbeine ein wenig zu ausgeprägt. Aber der Reiz, der von diesen Augen ausging…
    Hier hast du keine Chance, Tom, sagte er sich. Er gab sich dennoch einen innerlichen Ruck und zog seinen Bauch ein, der als
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