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Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Titel: Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme
Autoren: Harald Martenstein
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Lieblingsfilme an.
    Ich brauchte nicht übertrieben viel Sex, zweimal die Woche, immer mittwochs und freitags, immer nur mit einer der Freundinnen. Sie mussten natürlich nicht, wenn sie keine Lust hatten. Aber es machte ihnen wenig Mühe, ich war alt, einigermaßen unterhaltsam und nicht sonderlich fordernd, meistens taten sie mir diesen kleinen Gefallen. Das war ein schönes Leben.
    Dann aber bekamen meine sieben Freundinnen fürchterlichen Streit miteinander, sie schrien sich wütend an, es gab Fraktionen, Intrigen, es war furchtbar, und ich habe überhaupt nicht kapiert, worum es ging. Die Freundinnen sagten, dass ich okay sei, aber mit den anderen, das gehe gar nicht. Sie zogen aus, sie fuhren in verschiedene Richtungen in ihren Autos davon. Ich stand am Fenster und winkte. In meinen Augen standen Tränen. Warum sind Frauen so?
    Dies ist, ziemlich genau, die Geschichte, die Izabella St. James, eine der sieben Exfreundinnen von Hugh Hefner, dem Playboy- Gründer, in ihrem Buch Bunny Tales erzählt. Für den Abiturjahrgang 2010 schlage ich folgende Aufgabe vor: 1. Bewerten und diskutieren Sie das Lebensmodell von Hugh Hefner in moralischer Hinsicht. 2. Setzen Sie Hefners Lebensstil in Bezug zu dem Politiker Gregor Gysi und seiner Forderung »Reichtum für alle«.

Über Radfahrer
    Zum zweiten Mal bin ich Angeklagter in einem Naziprozess. Das erste Mal war vor etlichen Jahren. In der Stuttgarter Staatsgalerie wurde eine Ausstellung eröffnet. Zu vorgerückter Stunde kletterte ein berühmter Künstler, schon recht betrunken, auf einen Tisch und rief: »Juden raus! Heil Hitler!« Ich war ein junger Kulturreporter und hielt dieses Detail der Vernissage für berichtenswert. Der Künstler, der sich am nächsten Morgen, wie seine Freunde versicherten, an nichts erinnern konnte, zeigte mich an. Ich hatte Zeugen und wurde freigesprochen. Auch die Karriere des Künstlers ging weiter. Hin und wieder googele ich ihn. Es geht ihm offenbar gut. Weshalb sollte ich so boshaft sein, seinen Namen zu nennen? Ich bin ein lieber Kerl, außer man reizt mich.
    Der zweite Vorfall ereignete sich vor drei Wochen in Kreuzberg. Ich fuhr aus einer Parklücke heraus. Um aus der Parklücke herauszukommen, musste man einen Radweg überqueren. Ein Radfahrer musste bremsen, nicht etwa scharf, nur ganz normal. Ich weiß nicht, wie oft im Leben ich schon, mit Auto oder Fahrrad, bremsen musste, weil Leute ein- oder ausparkten. Ohne Einparken und Ausparken kann es meiner Ansicht nach überhaupt keinen Straßenverkehr geben. Der Radfahrer begann zu schimpfen. Er rief, dass ich ein Depp sei. Er sah, wie soll ich das jetzt ausdrücken, alternativ aus. Ich selber bin ja reaktionär.
    Ich stieg aus und sagte: »Ich kann doch gar nicht anders, mein fortschrittlicher junger Freund, ich muss doch über den Radweg fahren.« Eine ältere Radfahrerin, die eine augenscheinlich selbst gestrickte Wollmütze trug, kam hinzu. Auch sie musste bremsen, auch sie begann sofort damit, mich zu beschimpfen. Die Situation war sehr klischeehaft. Deshalb bin ich wieder eingestiegen. Nun begann der Mann, mit seinen Händen auf mein Auto einzuschlagen.
    Warum sind Menschen so? Warum so viel Gewalt, so viel Hass? Sind wir nicht alle Kinder desselben Gottes?
    Ich habe das Fenster geöffnet. Ich habe gerufen: »Ihr Nazis!« Ich wollte, dass sie sich ärgern. Ich wollte ihnen so wehtun, wie sie mir wehgetan haben.
    Ich glaube, das ist mir auch gelungen. Sie schrieben meine Nummer auf, tauschten Adressen aus und riefen, dass sie mich anzeigen werden.
    1990 formulierte der amerikanische Autor Mike Godwin eine sozialpsychologische Theorie. Godwin’s Law gilt inzwischen als empirisch bewiesen. Es besagt, dass seit etwa 1950 bei jeder größeren Meinungsverschiedenheit, weltweit und immer, irgendwann ein Vergleich mit den Nazis auftaucht. Dieser Vergleich habe nichts mit der realen Geschichte zu tun, sondern mit dem Wunsch des Sprechers, eine Diskussion zu beenden, indem er seinem Gegenüber jegliche Satisfaktionsfähigkeit abspricht. In diesem Sinne wurde zum Beispiel Angela Merkel mit den Nazis verglichen (von Hugo Chávez), Peer Steinbrück (von irgendwelchen Schweizern) sowie die Fluggesellschaft Air Berlin (von einem spanischen Politiker).
    Ich werde meine Verteidigung vor Gericht auf Godwin aufbauen. Ich werde sagen, dass ich eben ein Kind meiner Zeit bin, und werde nachweisen, dass Angela Merkel und Peer Steinbrück, vor allem aber Air Berlin deutlich weniger mit den Nazis zu tun
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