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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza
Autoren: Alexander Borell
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kleiner Kinderstimme:
    »Herr Dr. Berckheim, kann ich zu Ihnen Vertrauen haben, volles Vertrauen?«
    Der Arzt nickte lächelnd. »Ich denke schon.«
    Mit niedergeschlagenen Augen und so leise, daß er es gerade noch verstehen mußte, flüsterte sie: »Ich bin nämlich nicht verheiratet. Mein Verlobter hat mich sitzenlasssen. Er ist heimlich nach Afrika ausgewandert, um sich vor der Verantwortung zu drücken.«
    Der Arzt setzte sich auf den Stuhl neben ihrem Bett.
    »Und der Herr gestern abend?«
    »Ein fremder Mann, ich weiß nicht einmal, wie er heißt. Ich war auf der Straße zusammengebrochen, er hat mich nur aufgelesen und hierher gebracht. Ich habe jetzt keinen Menschen, der sich um mich kümmert.«
    »Dann erholen Sie sich hier erst mal ein paar Tage. Sind Sie berufstätig?«
    Jetzt kam ein wohlberechnetes Schluchzen.
    »Ich glaube, nicht mehr. Ich war Mannequin, und die Abendkleider haben mir bei der letzten Vorführung schon nicht mehr gepaßt. Lieber Herr Doktor, könnten Sie mir nicht... helfen?«
    Berckheims offenes, hilfsbereites Gesicht verschloß sich.
    »Die einzige Art, wie ich Ihnen helfen kann, ist heute nacht geschehen.«
    Immer die alte Tour, dachte er verärgert. Natürlich ist der Bursche, der sie hier abgeliefert hat, ihr Freund. Weiß Gott, was sie inszeniert haben, und dann wollen sie einen für dumm verkaufen! Er stand auf.
    »Der Herr, der Sie heute nacht hier eingeliefert hat, hat zugleich einen Vorschuß von dreihundert Mark hinterlassen. Nett von ihm, nicht wahr, wo Sie ihn doch überhaupt nicht kennen. Sollten Sie trotzdem jetzt schon meine Klinik verlassen wollen, dann tun Sie das auf Ihre eigene Verantwortung. Lassen Sie sich in diesem Falle an der Kasse die Abrechnung und den Rest des Geldes geben.« Er wandte sich zur Tür.
    Irene merkte entsetzt, daß sie einen Fehler begangen hatte. Sie versuchte zu retten, was noch zu retten war.
    »Herr Doktor!« rief sie kläglich. »Verzeihen Sie mir. Ich bin so schrecklich durcheinander. Ich darf also noch hier bleiben?«
    »Das steht Ihnen frei, Fräulein Keltens. Als Atzt fühle ich mich verpflichtet, wie ich schon sagte, Sie noch zu beobachten, ehe ich Sie offiziell entlassen kann. Sollten keine neuen Komplikationen auftreten, werde ich spätestens übermorgen Ihr Bett für einen dringenden Fall benötigen, wir sind sehr knapp.«
    Er öffnete die Tür, drehte sich aber noch einmal um.
    »Und versuchen Sie nicht, noch mal so eine Dummheit zu machen, wenigstens nicht in meiner Klinik. Außerdem könnte es Sie das nächste Mal Ihr Leben kosten.«

    *

    Zum zweiten Mal an diesem Sonntagvormittag klingelte das Telefon im Dienstzimmer des 21. Polizeireviers in der Clemensstraße.
    Der erste Anruf war kurz nach neun Uhr gekommen. Ein Mann faselte irgend etwas von einem Unfall, der nachts in der Ringstraße erfolgt sein sollte. Angeblich sei dabei ein Mädchen angefahren worden. Von diesem Unfall war jedoch auf dem Revier nichts aktenkundig, wie Hauptwachtmeister Bernes erklärte. Infolgedessen hatte für ihn dieser Unfall auch nicht stattgefunden.
    Und nun rasselte das Telefon wieder. Bernes meldete sich brummig.
    Er beschränkte sich darauf, hin und wieder ja oder nein zu sagen, während er eine Fliege an der trüben Fensterscheibe beobachtete.
    Endlich sagte er: »Also gut, wir werden der Sache nachgehen.«
    Er warf den Hörer unwillig auf die Gabel und sagte zu dem jungen Wachtmeister, der soeben eintrat:
    »Der gleiche Kerl wie heute morgen. Dieser Querulant gibt einfach keine Ruhe. Er behauptet, er hätte es genau gesehen: eine Dame am Steuer hätte ein junges Mädchen angefahren und dann mitgenommen, ohne auf die Polizei zu warten. Was sollen wir denn tun?«
    Der junge Wachtmeister, Bernes zum Sonntagsdienst zugesellt, nahm ein Meldeformular vom Schreibtisch und las halblaut, was heute morgen notiert worden war:
    »Ein gewisser Wagner, Franz, Isabellastraße 16/III gibt an, in der Nacht vom Sonnabend, dem 21. Mai zum Sonntag, dem 22. Mai...«
    Er ließ das Formular wieder auf den Schreibtisch flattern. »Vielleicht werden wir uns doch mal darum kümmern müssen. Schließlich steht da, daß sich der Mann die Nummer des PKW aufgeschrieben hat, der angeblich Fahrerflucht begangen haben soll.«
    Nach längerer Beratung hielt es Hauptwachtmeister Bernes doch für geraten, eine Amtshandlung vorzunehmen. Er erkundigte sich beim Präsidium nach dem Inhaber der notierten Autonummer und sagte abschließend zu seinem jungen Kollegen:
    »Na also! Der
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