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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza
Autoren: Alexander Borell
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gebracht hatte, das sie erst vor wenigen Tagen verlassen hatte.
    Sie hörte Schritte auf der Treppe. Brigitte kam herein.
    »Endlich, du Murmeltier. Ich hab’ schon überlegt, ob ich einen Arzt holen soll.«
    »Warum denn? Meine Uhr ist stehen geblieben.«
    Monika stand auf und trat zum Fenster. In ihrem hauchdünnen Pyjama wirkte sie wie ein junges Mädchen. »Wie spät ist es denn?«
    »Nachmittag, Kindchen. Später Nachmittag.«
    Sie fuhr sich mit beiden Händen ins Haar, lockerte es und schüttelte es in den Nacken.
    »Dann habe ich vierundzwanzig Stunden geschlafen?«
    »Genau. Es ist Montag nachmittag.«
    Draußen, auf der sonst so stillen Straße durch die Bungalowsiedlung, fuhr ein Auto vorbei. Monika zuckte zusammen.
    »Gitta, hast du meinen Wagen in die Garage gebracht? War die Polizei schon da?«
    »Weder noch. Aber Wolfgang hat vorhin angerufen. Du sollst dich nicht aufregen, mit dem Mädchen ist alles in Ordnung.«
    »Gott sei Dank, wenigstens ein Lichtblick. Hast du eine Zigarette für mich?«
    »Nein, erst was essen und trinken. Tee? Kaffee? Oder was Richtiges, ein Steak?«
    »Ich weiß nicht. Robert hat nicht noch mal angerufen?«
    »Nein, wozu auch? Willst du dich anziehen und rüberkommen, oder soll ich dir was...«
    Monika fand in ihrer Handtasche ein Päckchen Zigaretten und zündete sich eine an. »Gitta, wir müssen jetzt sofort etwas unternehmen. Ich hab gar keinen anderen Gedanken im Kopf. Was könnte ich tun? Hast du dir schon was überlegt?«
    »Ich überlege ununterbrochen. Vielleicht weiß ich auch schon was, aber jetzt bringe ich dir doch zuerst mal eine Tasse Tee.«
    Brigitte Perrier, wenig älter als Monika, dafür seit langem geschieden, war gewissermaßen eine optische Täuschung. Im ersten Augenblick hielt man sie für eine jener vollschlanken Blondinen, die gern naschen und sich genau überlegen, welchen Mann sie lieben und welchen sie für sich bezahlen lassen. In Wirklichkeit war sie ausgesprochen dick und von einer so bezaubernden Dummheit, daß man den Mann verstehen konnte, der sich schleunigst von ihr hatte scheiden lassen. Auch blond war sie von Natur aus nicht. Das einzig wirklich Echte an ihr war ihr gutes Herz, ihre Gutmütigkeit, die sich aus einer Mischung von Sentimentalität, wirklicher Hilfsbereitschaft und Bequemlichkeit zusammensetzte. Es war ihr unbequem, einem Bittsteller nein zu sagen, und deshalb gab sie ihm reichlich. Auch den Männern, die sie darum baten. Außerdem machte es ihr Spaß.
    Das Vermögen ihres Mannes und der Erfolg eines vorübergehend in sie verliebten Anwaltes ermöglichten es ihr, in diesem hübschen Bungalow ein fröhliches und sorgenfreies Leben zu führen. Witterte sie irgendwo eine Sensation, so kannte ihre Hilfsbereitschaft keine Grenzen, konnte bis zur Selbstverleugnung gehen, und das hatte ihr eine Menge Leute eingebracht, die sie für ihre Freunde hielt. Gelegentlich brachte sie den einen oder andern gerade durch ihre Bereitschaft, überall zu helfen, in die größte Verlegenheit.
    Brigitte brachte den Tee. Ihre wasserblauen Augen waren erwartungsvoll auf Monika gerichtet, als sie fragte: »Nun sag schon, Moni, hast du was mit Wolfgang gehabt?«
    Monika trank den Tee ohne Zucker.
    »Ich war bei ihm«, sagte sie. »Ich bin nicht gleich nach Ried hinausgefahren. Du hast schon richtig geraten, als du bei ihm angerufen hast.«
    Brigitte lächelte.
    »Für so was hab’ ich immer den Riecher, Kindchen Schon als du so Hals über Kopf hier weggefahren bist, hab ich gewußt, wie der Hase läuft. Übrigens finde ich, daß er viel, viel besser zu dir paßt als dein Mann.«
    »Hör bitte davon auf. Es war der größte Fehler, den ich bisher in meinem Leben begangen habe. Ich bereue ihn.«
    »Das soll man nie«, sagte Gitta weise. »Man muß nur sehen, wie man aus dem Schlamassel wieder rauskommt. Zu dumm, das mit der YPSILON, nicht? Die hätte doch auch ein andermal sinken können.«
    Monika stellte ihre leere Tasse vorsichtig zurück. »Was hast du dir ausgedacht? Was kann ich jetzt tun? Ich schäme mich vor mir selber mehr als vor Robert. Dieses elende, kitschige Argument aller dummen Frauen: die berühmte schwache Stunde. Es ist zum Heulen.«
    Brigitte schlug ihre sehr hübschen Beine übereinander.
    »Ich weiß nicht, meine schwachen Stunden waren immer meine stärksten. Ich finde, du nimmst alles viel zu tragisch. Robert liebt dich doch, oder?«
    »Ja. Das heißt, ich weiß nicht genau... es war in letzter Zeit alles nicht mehr so wie
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