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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza
Autoren: Alexander Borell
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Du trinkst ihn schwarz und ohne Zucker, nicht?«
    Sie nickte. Er hatte nicht vergessen, daß sie keinen Zucker nahm. Aber Robert, mit dem sie seit neun Jahren verheiratet war, Robert hatte heute noch keine Ahnung davon.
    Schweigend trank sie in kleinen Schlucken und spürte, ohne hinzuschauen, daß Wolfgang sie erwartungsvoll beobachtete. Vorsichtig stellte sie die kleine, kostbare Tasse auf den Tisch zurück.
    »Dein Mokka ist köstlich, Wolf. Und... alles andere ist nicht deine Schuld. Ich meine, du hast mich nicht überredet, zu bleiben. Ich tat es freiwillig. Und es ist jetzt genausowenig deine Schuld, wenn ich nicht bleibe. Gleich danach habe ich gewußt, daß es falsch war. Es hat alles zerstört, was gut und schön zwischen uns gewesen war.«
    Er schüttelte verwundert den Kopf. »Als du vorhin neben mir lagst — du hattest die Augen geschlossen — , da sprach ich davon, daß du dich scheiden lassen würdest, daß wir heiraten könnten und...«
    »Ich habe dich betrogen, Wolf. Verzeih mir, wenn du kannst. Ja, ich hatte die Augen geschlossen, ich dachte, ich könnte meinen Mann vergessen. Aber er war immer da. Ich wußte sofort danach, daß ich nur ihn liebe und immer nur ihn lieben werde.«
    »Moni, bitte, erspar mir das alles«, unterbrach sie Wolfgang.
    »Wirklich«, fuhr sie erregt fort, »deshalb nahm ich Krögers Einladung auf seine Jacht an und fuhr nach Nizza. Als ich dann Krögers Gäste kennengelernt hatte, war mir die Lust auf diese Kreuzfahrt im Mittelmeer vergangen. Da traf ich dich in dem kleinen Espresso in Nizza. Ich war diesem Zufall so dankbar. Da wurden unsere Erinnerungen wach an die gemeinsame Jugendzeit... Ach, Wolf, wie schön waren diese Tage. Ich habe es nicht eine Sekunde bereut, daß die YPSILON ohne mich ins Mittelmeer abgedampft ist.«
    Er schaute sie lange an, ehe er sagte: »Und das alles ist jetzt plötzlich nicht mehr wahr? Das alles war nur ein Irrtum? Dein Mann hat jetzt plötzlich Zeit für dich? Er wird zur Kenntnis nehmen, daß du eine Frau bist, eine verdammt hübsche dazu? Er wird sich nicht mehr nur für seine aufgeschnittenen Bäuche interessieren?«
    »Du hast recht, Wolf. Der Irrtum aber begann heute nachmittag, als ich dachte, ich würde Robert nicht mehr lieben, und als ich an deiner Tür klingelte.«

    Wolfgang schwieg lange. Dann sagte er bitter: »Ich war also nur der Lückenbüßer. Der Tröster einer vernachlässigten Frau. Jetzt bereust du sogar noch, bei mir gewesen zu sein.«
    Sie stand auf und klammerte sich hilflos an seinen Arm. »Ich habe Angst. Ich wollte Robert nicht betrügen. Jetzt weiß ich, daß es unverantwortlich war. Ich muß zu ihm zurück. Daß ich die Jachtpartie nicht mitgemacht habe, dafür werde ich einen Schwindel erfinden. Aber er darf nie erfahren, daß ich hier war. Es würde ihn tödlich treffen, und er würde mir nie verzeihen.«
    Sie legte ihre beiden Hände auf seine Schulter. »Leb wohl, Wolfgang. Es war schön hier und ich danke dir. Laß mich jetzt gehen...«

    *

    Das Chefzimmer war genauso zweckmäßig und steril eingerichtet wie die ganze Berckheimsche Privatklinik. Matt glänzten die weißen Wände ohne Bilder, der weiße Schreibtisch, das weiße Telefon.
    Robert Berckheim zog seinen weißen Arztmantel aus und ließ Wasser ins Waschbecken laufen. Eine Woche war vorbei, eine Woche harter Arbeit.
    Ehe er sich die Hände wusch, stellte er das Radio an. Um siebzehn Uhr kam der Wetterbericht, der für morgen wichtig war. Dann würde er wieder in Ried sein, bei seinen Kindern.
    Das heiße Wasser strömte wohltuend über die schmalen, langen Hände des Frauenarztes.
    Man hielt ihn allgemein für einen glücklichen Menschen, einen erfolgreichen Mann, der alles besaß: eine bezaubernde Frau, zwei reizende Kinder, den prachtvollen Landsitz, die bekannte Privatklinik und schließlich seinen berühmten Namen als Facharzt.
    Mit allem mochten sie recht haben, nur übersahen sie dabei, daß sich Robert nicht die Zeit gönnte, dieses Glück auch zu genießen.
    Ein Gongschlag im Radio erinnerte ihn an den Wetterbericht. Er stellte das Gerät lauter und während er alles in die Schubladen verschloß, was nicht auf dem Schreibtisch herumliegen sollte, rieselten die Nachrichten an seinem Ohr vorbei.
    Er erstarrte jäh, als ein Wort ihn aufhorchen ließ und der Sprecher fortfuhr: »...erfahren, ist die Motorjacht YPSILON des bekannten Berliner Verlegers Georg Kröger im Mittelmeer auf einer Vergnügungsfahrt gesunken. Als Ursache der
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