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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza
Autoren: Alexander Borell
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beendet war, deutete auf Paul Clarisch und sagte zu Bernes: »Er sucht ein Mädchen. Du hast doch am Sonnabend Nachtschicht gehabt. Weißt du was davon?«
    Paul hielt es für notwendig, eine Erklärung abzugeben.
    »Ich bin in großer Sorge um sie. Sie heißt Irene Keltens, ich bin mit ihr verlobt.«
    »Wollen Sie also eine Vermißtenanzeige erstatten?«
    Paul zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Das weiß ich nicht. Ich wollte...«
    »Das müssen Sie aber wissen. Woher soll ich das wissen, wenn Sie es nicht wissen?«
    »Sie heißt Irene Keltens«, sagte Paul. »Ich dachte, vielleicht wüßten Sie etwas. Es könnte doch ein Unfall passiert sein.«
    »Sicher«, nickte Bernes. »Es passieren dauernd Unfälle. Aber es gibt sechsunddreißig Polizeireviere. Warum soll das gerade in unserem Bereich passiert sein?« Er ordnete seine Bleistifte, wie er das seit beinahe dreißig Jahren tat, und fuhr fort: »Wir jedenfalls wissen nichts von einem Unfall. Verlobt sind Sie also mit ihr?«
    »Ja.«
    Zum ersten Mal warf Bernes dem jungen Mann einen mitfühlenden Blick zu.
    »Verlobt also. Hatten Sie Krach mit ihr?«
    Paul war überrascht.
    »Ja. Das heißt, nicht so ernst, daß sie auf und davonlaufen konnte. Deshalb bin ich ja so in Sorge. Sie war abends noch kurz bei mir, ich wohne in der Ringstraße, und dann wollte sie nach Hause gehen, ist aber nicht zu Hause gewesen.«
    Ein Signal in dem dressierten Gehirn des Polizisten leuchtete auf. Die Ringstraße! Die Ringstraße, richtig, da war doch dieser mysteriöse Unfall gewesen.
    »Haben wir schon!« rief er triumphierend. »Der Fall ist schon aufgeklärt.« Er kramte einen roten Aktendeckel aus seinem Schreibtisch, blätterte und sagte: »Ringstraße, etwa in Höhe des Hauses Nr. 33, um einundzwanzig Uhr vierzig?«
    Pauls Herz klopfte vor Aufregung. Die Zeit stimmte. Er wohnte im Haus Nr. 35.
    »Ja, ja«, sagte er hastig. »Das stimmt alles. Was ist mit Irene, mit Fräulein Keltens? Sie sagten etwas von einem Unfall?«
    Der Hauptwachtmeister verschränkte die Hände.
    »Es war gar keiner. Nur ein Wichtigtuer hat geglaubt, dort sei einer gewesen. Haben wir inzwischen schon aufgeklärt. Nicht einmal die Autonummer hat er richtig aufgeschrieben.«
    »Ich verstehe kein Wort«, drängte Paul. »Was war denn nun dort wirklich? Irgendwas muß doch gewesen sein?«
    »Das weiß ich auch nicht. Amtlich, also für uns, war dort nichts. Ein Zeuge sagte, eine Dame hätte ein Mädchen angefahren und sei dann in ihrem Auto, mit dem Mädchen, davongefahren. Aber wie gesagt: stimmen tut alles nicht, was er uns da erzählte. Wir haben weder eine Unfallmeldung noch die richtige Autonummer. Wollen Sie nun eine Vermißtenanzeige erstatten, oder wollen Sie nicht?«
    Irenes Vergangenheit hatte Paul nie sonderlich interessiert. Er war von Natur aus großzügig, besonders soweit es längst geschehene Dinge betraf. Gut, er war mit ihr verlobt, aber das bedeutete nicht, daß er jeden ihrer Schritte zu überwachen hatte, daß sie ihm für jede Stunde Rechenschaft schuldig war. Sie hätte es als Beleidigung auffassen können, wenn er ihr mit der Polizei nachschnüffelte.
    »Nein«, sagte er. »Ich glaube, ich werde mit der Vermißtenanzeige noch etwas warten.«

    *

    Die beiden Wagen kamen fast gleichzeitig an und hielten dicht hintereinander vor Brigittes Bungalow.
    Der erste Wagen war schwarz, geschlossen, ein alter Citroen, wie man ihn fast nur noch in amerikanischen Gangsterfilmen sieht. Der zweite war weiß, offen, ein Cadillac, wie man ihn auch in amerikanischen Gangsterfilmen sehen kann.
    Dem schwarzen Wagen entstiegen zwei schwarzgekleidete Herren. Dem weißen Wagen entstieg ein Herr in hellgrauem Flanell, der sich sofort wieder in seinen Wagen setzte, als er die beiden schwarzen Herren an Brigittes Gartentor klingeln sah.
    Der Türöffner summte, die beiden schwarzen Herren traten ein. Brigitte kam ihnen entgegen, es gab eine kurze Unterhaltung, die damit endete, daß Brigitte die beiden Herren zu ihrer Garage führte, wo eine graue Limousine mit einer Münchener Nummer stand. Die beiden schwarzen Herren nickten, notierten sich etwas und verabschiedeten sich mit höflichen Verbeugungen von Brigitte.
    Als sie wieder abgefahren waren, stieg der Herr im grauen Flanell endgültig aus und winkte Brigitte zu, die ihn schon entdeckt hatte.
    »Hallo, Gitta, kein netter Besuch, was?«
    Sie kam ihm entgegen. »Wegen Monika Berckheim, ich hab dir davon ja schon erzählt. Ist alles in bester Ordnung. Komm
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