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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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die Anni, während sie den mokkabraunen Zeitfresser so hinlegt, dass sie bequem daran weiterarbeiten kann. »Daheim hab’ ich mich recht schinden müssen«, sagt sie noch. Und während sie Millimeter für Millimeter dieses unendliche Netz weiterspinnt, denkt sie mit Dankbarkeit an die Schwestern. Eigentlich wollte sie damals auch ins Kloster gehen, für immer. Aber das Schicksal hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht: Weil ihre Schwester daheim Krankenschwester lernen wollte, ist die Anni nach der Ausbildung im Kloster nach München in Stellung gegangen. Von den 30 Mark, die sie dann im Monat verdient hat, hat sie 25 ihrer Schwester gegeben, damit diese ihre Lehre bezahlen konnte. Später hat ihr die Schwester das Geld wieder zurückgezahlt und die Anni hat sich davon ihre Aussteuer gekauft. Aber mit dem Traum vom Kloster war es endgültig aus.
    Während Anni dasitzt und sich durch ihr Leben knüpft, ist draußen der Schneefall immer stärker geworden. Zusammen mit dem Wind veranstalten die Flocken einen wilden Tanz rund um das Haus von Anni und Alois. Drinnen kämpft die sonst so resolute Anni mit den Tränen. »Ich habe oft Zeitlang gehabt nach den Schwestern«, sagt sie und wischt sich ihre Augen ab. Und während Alois ungerührt auf dem Sofa sitzt, öffnet die Anni kurz das Fenster, um frische Luft reinzulassen. »Ja, jetzt schneit es uns wieder ganz ein«, meldet sich der Alois wieder zurück von seinem Platz. »Bis Mitte März kommt immer ein Haufen Schnee«, erwidert die Anni gelassen und nimmt ein paar tiefe Atemzüge. Die ganze Nacht wird es schneien, aber das Leben geht weiter, so wie es will – auch in Hilgenreith, auf ihrem Einödhof.

Eiszeit
    D ie Sonne steht tief, sehr tief. Es ist Mitte Februar und eisig kalt. Kein Wölkchen ist am blauen Himmel zu sehen, nur der Mond leuchtet noch blass, ein nächtlicher Überrest. Eisblumen zieren die Fenster in der Stube auf dem Einödhof, kalte filigrane Kunst werke, durch die jetzt langsam der erste Sonnenstrahl bricht. Dort steht der Alois, frisch gewaschen und gekämmt und sieht mit großen braunen Augen aufmerksam zu, wie der unerbittliche Ostwind die Bäume noch einige Zentimeter tiefer dem Boden entgegendrückt. Leicht wirbelt der Wind auch den Schnee auf, der in diesen Morgenstunden funkelt wie ein großer Diamant.
    Der Alois beugt sich zu dem alten schwarzen Koffer radio am Fensterbrett hinüber und schaltet es ein, um Nachrichten aus der fernen weiten Welt zu hören. Tyrannei im Iran, Bürgerkrieg in Syrien, die Champions League – alles rauscht am Alois heute vorbei, denn gestern hat auf dem Einödhof die Eiszeit begonnen, die kältesten Tage im Jahr.
    Richtig interessiert lauscht Alois also nur dem Wetterbericht für die kommenden Stunden: »Der Winter kommt richtig in Fahrt, Bayern wird in den nächsten Tagen zum Gefrierschrank. Das Kältehoch Cooper sorgt auch in der kommenden Nacht für rekordverdächtige Temperaturen, im Bayerischen Wald und am Alpenrand unter minus 20 Grad. Am Tag ist der Himmel klar oder höchstens locker bewölkt. Die Höchsttemperaturen liegen in Ostbayern bei minus 14 bis 12 Grad. Der Wind weht mit Stärke 5 aus nordöstlicher Richtung. Die weiteren Aussichten: In den nächsten Tagen bleibt es klirrend kalt, der Frost schwächt sich nicht ab« , beendet der Nachrichtensprecher seine Ansage, als die Anni – bekleidet nur mit ihrer grellroten Strickjacke und einer ärmellosen dunklen Fleeceweste – zur Stubentür reinrauscht. Die letzten Worte hat sie aber noch gehört. Während sie ihre Stiefel auszieht und in die Ecke neben dem Herd wirft, erzählt sie lautstark dem Alois, wie rau ihr der Wind ins Gesicht geblasen hat, als sie heute Morgen die Haustüre geöffnet hat. Doch der nimmt seelenruhig noch einen Schluck von seinem Morgenkaffee und sagt gelassen: »Das ist Zeit geworden, dass es so kalt wird«, und nickt leicht vor sich hin. Doch die Anni hat für Nachdenklichkeit keinen Sinn, sie schaut den Alois aufmerksam an und spinnt sofort seinen Gedanken weiter: »Wir brauchen die Kälte, sonst erfriert das ganze Ungeziefer nicht und geht kaputt, dann haben wir im Sommer den Schlamassel«, resümiert sie, während sie sich unsanft auf das Sofa plumpsen lässt. Die Katze, die dort bis jetzt ungestört ihren Winterschlaf gehalten hat, zuckt kurz mit den Ohren, als die Anni neben ihr aufschlägt. Die muss dem Alois dringend erzählen, was die Kälte diesmal auf ihrem Hof angestellt hat: »Heute Nacht hat es die
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