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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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Wasserpumpe zusammengefroren. Die Waschmaschine geht nicht mehr und im Stall hat es auch das Wasser in der Leitung gefroren«, berichtet sie dem Alois von ihrem ersten Rundgang und streicht sich ihre zerzausten Haare zurück. »Ja mei, wenn es kalt ist, dann friert halt etwas ein«, stellt der nur gleichmütig fest und zieht noch einmal bedächtig an seiner Zigarette. Aber die Anni hört seine gottergebene Bemerkung schon gar nicht mehr, in ihrem Hirn kurbelt es und es kurven die Gedanken, wie man schnell die Probleme lösen kann. »Ich muss nachher gleich in der Gemeinde anrufen, dass jemand kommt und uns das Wasser auftaut. Sonst kann ich nicht mehr waschen, letztes Jahr im Februar habe ich vier Wochen nicht waschen können«, erinnert sie sich mit einem lautstarken Lachen. »Aber wir haben ja genug Kleider«, stellt sie stolz fest, auch wenn die meisten davon Geschenke sind oder uralt. Und wer sieht die beiden schon im kalten Februar auf dem Einödhof?
    »Der kälteste Winter, den wir je hatten, war 1969«, erinnert sich die Anni und beäugt nebenbei den Alois, wie er sich neben ihr auf das Sofa an seinen Eckplatz setzt. Auch die Katze, die beide »Mauckei« nennen, öffnet ihr Auge einen winzigen Schlitz breit, nur so weit, dass sie sehen kann, was um sie herum passiert, um anschließend wieder in winterliche Katzenagonie zu verfallen. Seit sie vor einigen Monaten den Sigls zugelaufen ist und dort eine neue Heimat gefunden hat, liegt die grau getigerte Katze meist schlafend zwischen Anni und Alois. Und die haben für ihr zwei Meter breites Kanapee immer die gleiche Sitzordnung: Die Anni sitzt in der äußersten linken Ecke, der Alois in der äußersten rechten. Dazwi schen bleibt der größtmögliche Abstand zwischen ihnen, den jetzt das Mauckei ein bisschen ausfüllt. Warum sie so weit auseinander sitzen, weiß das alte Ehepaar selbst nicht. Wahrscheinlich Gewohnheit und vielleicht ist es auch bequemer, sich in einer Ecke anlehnen zu können. Auf alle Fälle hat der Alois an seinem Platz Tabak, Zigarettenpapier, die Lokalzeitung und eine Flasche zum Trinken griffbereit. In seine Ecke würde die Anni sich nur im absoluten Notfall setzen, aber eigentlich noch nicht einmal dann. Ordnungen – auch wenn sie unnötig erscheinen – geben eben Halt im Leben und schaffen ein Gefühl von Zuhause und Heimat.
    »Ein paar Jahre nach unserer Hochzeit, da hat es 39 Grad minus in der Nacht gehabt, da war es zapfig kalt, alles war zugefroren und aus den Fenstern hast nicht mehr rausschauen können und die kleinen Nussbäume, die hat es alle zusammengefroren, die waren ganz schwarz«, berichtet die Anni von den frostigsten Zeiten der beiden, frostig aber nur von den Temperaturen her gesehen.
    Lange Kälteperioden – das sind Anni und Alois gewohnt auf ihrem Einödhof, der in einer ausgesetzten Hanglage und ohne schützende Wände von Nachbarhäusern einsam den eisigen Tagen trotzen muss. Und mit nur einem Raum, den man richtig beheizen kann, ist der Winter für die beiden alten Leute eigentlich keine Jahreszeit, sondern richtig Arbeit. So müssen sie im Hühnerstall alle Leitungen mit Papiersäcken und Dachpappe einbinden und die Türen mit Strohballen abdichten. Auch die Fensterbretter werden mit zusammengerollten Wolldecken versehen, damit die ärgste Kälte draußen bleibt. Und wenn es im Haus ganz eisig wird, dann legt die Anni außerdem auf ihre Apfelkisten im oberen Gang Decken, denn sonst gefrieren ihre geliebten Früchte.
    Ungeheizt bleibt jedoch meist das Schlafzimmer, weil die Anni fast kein Grad Wärme ertragen kann. Nur in den kältesten Nächten des Jahres nimmt sie eine Wärmflasche mit ins Bett. Aber Anni und Wärmflasche, das ist fast wie ein Oxymoron: »Schwarzer Schimmel«, »Wahre Lügen«, »alter Knabe« – und »Annis Wärmflasche« – Verbindungen von Wörtern und Bedeutungen, die eigentlich unmöglich sind und deshalb fast nie gebraucht werden. Genauso selten füllt die Anni ihre Wärmflasche vor dem Zubettgehen auf. Und dann passiert immer das Gleiche: Die Anni legt sich in das dicke Daunenbett, spürt die aufsteigende Hitze und fünf Minuten später fliegt das rote Gummiding auch schon raus. Dann streckt die Anni die Füße aus der Decke raus, anschließend kommen ihre Arme dran. Nein, sie braucht keine Wärme, auch wenn es im Schlafzimmer unter null Grad hat. Die Wärmflasche aber, ihr seltener Begleiter, die liegt am nächsten Tag vergessen und steif gefroren auf dem Nachttisch.
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