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Anne in Avonlea

Anne in Avonlea

Titel: Anne in Avonlea
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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gefragt. Jetzt hat alles seine Ordnung. Und ich hatte die Hände im Spiel. Vielleicht hat Mrs Lynde Recht, dass alles vorherbestimmt ist und es so kommen musste. Trotzdem, es ist ein schöner Gedanke, dass ich ein Werkzeug der Vorhersehung war. Ja, doch, es ist sehr romantisch.«
    »Was ist daran romantisch?«, fragte Marilla ziemlich harsch. Marilla fand, Anne machte viel zu viel Theater darum, vernachlässigte ihre Vorbereitungen für das College und »latschte« stattdessen dauernd nach Echo Lodge, um Miss Lavendar zur Hand zu gehen. »Erst bekommen sich zwei Grünschnäbel in die Haare und sind eingeschnappt. Stephen Irving geht in die Staaten, heiratet dort bald und ist rundum glücklich. Danach stirbt seine Frau. Nach einer angemessenen Zeit kommt er nach Hause und sagt sich, mal sehen, ob meine erste große Liebe mich noch will. Sie hat all die Jahre allein gelebt, weil ihr wohl niemand Nettes über den Weg gelaufen ist. Die beiden treffen sich und heiraten schließlich. Na, was ist daran romantisch?«
    »Wenn du es so siehst, ist es nicht romantisch!« Anne schnappte nach Luft, so als hätte ihr jemand einen Eimer kaltes Wasser übergegossen. »So mag es sich im Klartext anhören. Aber wenn man es poetisch betrachtet - und ich«, Anne fasste sich wieder, machte die Augen auf und wurde rot, »sehe es lieber poetisch.«
    »Wann findet die Hochzeit statt?«, fragte Marilla nach einer Pause. »Am letzten Mittwoch im August. Sie werden im Garten unter den Geißblattspalieren heiraten - genau an der Stelle, an der Mr Irving vor fünfundzwanzigjahren um ihre Hand angehalten hat. Marilla, das ist romantisch, sogar im Klartext. Nur Mrs Irving, Paul, Gilbert, Diana, Miss Lavendars Cousinen und ich werden dabei sein. Mit dem Sechs-Uhr-Zug machen sie sich auf die Hochzeitsreise an den Pazifik. Nach ihrer Rückkehr im Herbst nehmen sie Paul und Charlotta mit nach Boston. Auf Echo Lodge bleibt alles wie es ist, außer dass sie natürlich die Hühner und Kühe verkaufen und die Fenster vernageln werden.Jeden Sommer werden sie dort verbringen. Ich bin ja so froh. Es hätte mir das Herz gebrochen, nächsten Winter in Redmond zu sein und mir dieses einsame, verlassene Steinhaus mit seinen leeren Zimmern vorzustellen - oder was noch schlimmer gewesen wäre, wenn andere Leute darin wohnen würden. Aber so ist alles bestens. Ich kann glücklich auf den Sommer warten und wieder Leben und Lachen ins Haus bringen.«
    Es gab noch mehr Romanzen auf der Welt als die zwischen den beiden Verliebten in dem Steinhaus. Anne entdeckte die andere zufällig, als sie eines Abends durch die Waldschneise nach Orchard Slope ging und beim Garten der Barrys herauskam. Diana Barry und Fred Wright standen unter der großen Weide. Diana lehnte sich an den grauen Baumstamm und hatte die Augenlider gesenkt. Fred, der sich mit dem Gesicht zu ihr beugte, hielt ihre Hand und flüsterte ihr leise und ernst etwas zu. In dem verzauberten Augenblick gab es nur sie beide. Sie bemerkten Anne nicht, die wie benommen begriff, sich umdrehte und leise, ohne auch nur einmal anzuhalten, durch den Fichtenwald zurück und in den Ostgiebel lief. Völlig außer Atem setzte sie sich ans Fenster und versuchte ihre verwirrten Sinne zu ordnen.
    »Diana und Fred sind verliebt«, keuchte sie. »Wie... wie ... wie hoffnungslos erwachsen!«
    Anne hatte erst vor kurzem Diana in Verdacht gehabt, dass ihre Trauer um den Byron’schen Helden aus ihren früheren Träumen nicht echt war. Aber da »etwas, was man mit eigenen Augen gesehen hat, beweiskräftiger ist als etwas, das man nur vom Hörensagen weiß oder annimmt«, stand sie völlig verdattert vor der Tatsache. Dann fühlte sie sich seltsam allein gelassen, so als wäre Diana in eine neue Welt eingetreten, hätte das Tor geschlossen und Anne draußen stehen lassen.
    »Alles ändert sich so beängstigend schnell«, dachte Anne ein wenig traurig. »Zwischen Diana und mir wird es wohl auch nicht mehr wie früher sein. Ich kann ihr keine Geheimnisse mehr anvertrauen - sie könnte sie Fred erzählen. Was findet sie eigentlich an ihm? Er ist nett und lustig, aber er ist und bleibt Fred Wright.«
    Das ist immer ein Rätsel - was findet man an jemand? Aber was für ein Glück ist es, wie es ist. Wenn alle gleich aussähen ... na ja, dann würde, wie der alte Indianer sagt: »Jeder meine Squaw wollen.« Diana fand ganz offensichtlich etwas an Fred, egal wie Anne das sah. Am Abend darauf kam Diana nach Green Gables - sie wirkte wie eine
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