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Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne
Autoren: Berte Bratt
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herausfinden.
    »Dies Mädel zu unterrichten macht wirklich Freude!« sagte die Erzieherin zu den Pfarrersleuten, und sie sagte es auch zu Kristina und Magnus, wenn sie ausnahmsweise einmal Gelegenheit hatte, mit ihnen zu sprechen.
    Zwischendurch machte sich Anne im Pfarrhaus nützlich, immer in ihrer gleichmäßig stillen, wortkargen und zufriedenen Art. Abends entstanden Jacken und Handschuhe, aus der feinen Wolle gestrickt, die Kristina und Annes Schwester Marthild gesponnen hätten. Die Frau Pastor und die Erzieherin bekamen jede ihre Jacke zu Weihnachten, und das waren Jacken, die im Kunstgewerbeladen der Stadt gut und gern ihre hundert Kronen wert waren.
    Drei Jahre blieb es so. Dann zogen beide Pfarrerskinder in die Stadt, um dort während der letzten zwei Jahre bis zum Abitur in eine höhere Schule zu gehen. Anne sagte nichts dazu. Sie kehrte mit all ihren Kenntnissen wieder nach Möwenfjord zurück, ohne irgendein Examen. Etwas schweigsamer als früher war sie jetzt. Doch sie nahm ihre gewohnte Arbeit wieder auf und tat unverdrossen ihre Pflicht wie immer. Eine neue stille Glut war in ihre Augen gekommen. Manches Mal blickte sie versonnen in die Ferne, ohne etwas zu sehen.
    Abends saß sie über den Büchern, die sie im Dorf geliehen hatte. Sie lernte weiter. Lernte und lernte, während die Stricknadeln sich in ihren Händen automatisch bewegten.
    Kristina beobachtete oft heimlich ihre Jüngste und seufzte unhörbar. Es war nicht die Art der Leute auf Möwenfjord, überflüssige Worte zu machen. Ganz und gar überflüssig wäre es gewesen, wenn Anne gesagt hätte, daß sie darauf brenne, das Abitur zu machen. Und ebenso überflüssig wäre es gewesen, wenn Kristina geantwortet hätte, daß sie sich das nicht leisten könnten. Wenn man als Witwe auf einem einsamen, kleinen, schwer zu bewirtschaftenden westnorwegischen Hof sitzt, dann kann man die Tochter nicht in der Stadt auf die Schule schicken.
    Und daß Magnus eine solche Belastung auf sich nehmen sollte, konnte man auch nicht erwarten.
    Nein, Worte waren überflüssig. Darum wurden sie auch nicht ausgesprochen.
    Es wurde Sommer auf Möwenfjord, und Anne ging zwischen Wohnhaus und Ställen hin und her und verrichtete ihren Teil der Arbeit. Zuweilen geschah es, daß sie auf dem Hofplatz stehenblieb, das Gesicht zur Sonne gewandt, genau nach Süden. Sie wußte, daß dort irgendwo hinter den Bergen südlich, vom Fjord - sehr weit südlich - die Stadt lag. Die Stadt mit ihren großen Häusern, mit ihren breiten Straßen, mit elektrischem Licht, mit Schulen, Büchern, Wissen. Die Stadt mit ungezählten Möglichkeiten.
    Anne atmete schwer. Dann hob sie den Bottich auf und ging zur Stalltür. Der Stall war jetzt leer, mit Ausnahme der Kälberstände. Anne neigte sich über den Stand mit den beiden kleinen, buntscheckigen Kälbchen. Die steckten die lange Zunge heraus und leckten ihre Hand, und der gute warme Geruch von lebendigem Vieh schlug ihr entgegen.

Eine Überraschung für Anne
    »Mutter«, sagte Anne. Sie beschattete die Augen mit der Hand und blickte über das Wasser. »Da kommt das Pfarrboot.«
    »Das Pfarrboot? Hierher?«
    »Es scheint so. Nein, es ist nicht der Pfarrer selbst. Es ist die Frau Pfarrer und noch jemand. Eine städtische Dame. Und der kleine Jon sitzt am Motor.«
    »Bist du sicher, daß sie hierher kommen?« Kristinas Stimme klang ungläubig. Es konnte Jahr und Tag vergehen, bis einmal Leute nach Möwenfjord kamen.
    Der Motor wurde abgestellt, und das Boot glitt in einem Bogen auf den steinernen Bootssteg zu. Kristina konnte gerade noch eine saubere Schürze vorbinden, da waren die Frau Pastor und die städtische Dame auch schon auf dem Hofplatz.
    Marthild hatte bereits den Kessel in der Küche aufgesetzt, und Anne holte Eingemachtes und Butter für die Waffeln.
    Inzwischen saß Kristina mit den Gästen drinnen in der Stube und hörte mit verwunderten Augen zu, was die Frau Pastor und ihre Kusine, Frau Aspedal, mit ihr zu bereden hatten. Im Verlauf der Unterhaltung zeigten sich auf Kristinas Gesicht nacheinander Erstaunen, Freude, Besorgnis und Ratlosigkeit.
    Dann brach das Gespräch ab. Anne stand mit dem Kaffeebrett in der Tür.
    Kristina blickte die Tochter an, still, aufmerksam. Zum ersten Male sah sie ihre Jüngste mit den Augen anderer. Welchen Eindruck machte Anne wohl auf die fremde Dame, die so plötzlich und mit einer so merkwürdigen Frage hereingeschneit war?
    Groß und still stand das Mädchen in der Tür, recht kräftig
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