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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe
Autoren: Horst Eckert
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habe ihn gesehen, vorgestern.«
    Stefan war ein schmuddeliger Typ mit Ohrring und Pferdeschwanz. Thann ließ ihn den Mann aus dem Gedächtnis beschreiben. Es stimmte. Schneider.
    »Wo war das?«
    »Blumenstraße, Neubauviertel. Da, wo alle Häuser gleich aussehen. Und dann noch der Nebel vorgestern, o Mann. Ich war froh, dass sie da so große Schilder für die Hausnummern haben, sonst wär' die Pizza noch kälter gewesen, als ich ankam.«
    »Und welche Hausnummer war das?«
    »Blumenstraße 17, zweiter Stock links. Statt eines Namens hatte ich nur diese Beschreibung. Ein unfreundlicher Typ, Mann. Kein Trinkgeld. Stattdessen beschwert er sich, die Pizza sei kalt. Ich sage: Stimmt nicht, ›Pizza-Pronto‹ hat die Thermo-Kartons. Natürlich war die Pizza ziemlich kalt. Mann, bei der langen Anfahrt. Aber fünf Minuten in den Ofen, und sie ist heiß. Der soll sich nicht so aufführen, hab' ich mir gedacht. Dann meint er, ich soll nicht so frech sein, und droht mir Prügel an. Lange Fahrt, Nebel, kein Trinkgeld und dann noch blöd anquatschen lassen. O Mann!«
    »War noch jemand in der Wohnung?«
    »Weiß nicht. Ich hab' ihm zwei Stück Pizza gebracht. Vielleicht war da noch jemand. Ich hätte ihm die Pizza ins Gesicht klatschen sollen. Andererseits, in der Zeitung steht, er ist gefährlich. Sagen Sie, kriege ich jetzt eine Belohnung?«
    »He, Stefan! Genug quatschen! Nächste Kunde warten schon auf ›Pizza-Pronto‹!«
     
     
    77.
     
    Thann fuhr durch den Regen. Blumenstraße. Endlose Reihen schräg zur Straße stehender Betonblöcke, grau und gleichförmig. Sozialer Wohnungsbau. Neues Leben. Die Chefin heißt übrigens Marianne Seilmann-Lemke.
    Die Nummer 17 war der linke Eingang eines der Blöcke. An der Hälfte der Klingelschilder fehlten die Namen. Die Briefkästen waren aufgebogen. Die Haustür stand offen. Neben der Treppe lag Müll. Es stank fast wie auf der Deponie.
    Zwei Kollegen in Uniform begleiteten Thann nach oben. Zweiter Stock links. Als sich auf ihr Klingeln und Klopfen nichts tat, öffneten sie die Tür mit Gewalt. Die beiden Kollegen hatten ihre Waffen gezogen.
    Sie stürmten hinein.
    Die Wohnung war leer. Völlig leer, bis auf zwei Matratzen, Schlafsäcke, Bierflaschen und Pizzakartons. Thermokartons für kalte Pizza-Pronto. Einen Herd gab es nicht in dieser Wohnung. Die Heizung war abgedreht oder ausgefallen. Es war kalt und dennoch stickig. Das Notquartier zweier Gauner auf der Flucht. Auf dem nackten Fußboden lag ein Stadtplan. Etwa da, wo die Wohnungen von Eva, Kurz und Thann lagen, waren mit blauem Kugelschreiber Kreuze eingezeichnet. Um Eichs Wohnung in der Goethestraße war ein blauer Kringel.
    Die beiden Uniformierten bezogen in der Wohnung Posten und warteten auf Schneider und Dalla.
    Im nächsten Block hatte der Hausmeister seine Werkstatt. Er gab an, die beiden nicht zu kennen und nicht zu wissen, wer ihnen die Schlüssel zu der leer stehenden Wohnung gegeben hatte.
    Noch eine Adresse, die observiert werden musste. Immerhin. Thann hoffte, dass die beiden Kollegen der Schutzpolizei nicht zu gut mit Schneider und Dalla befreundet waren.
     
    Inzwischen hatten bei Tommaso weitere Personen angerufen und angegeben, die Gesuchten gesehen zu haben. Der eine entpuppte sich als ein Witwer, neunzig und senil, der jemanden brauchte, mit dem er reden konnte. Eine andere als Kellnerin im Operncafé, die Thann schöne Augen machte. Sie trug einen sehr tiefen Ausschnitt und zu viel Make-up und war sich bezüglich ihrer Aussage nicht sicher. Thann merkte sich das Café für alle Fälle.
    Den Rest der Anrufer hob er sich für den nächsten Tag auf. Eine bessere Beschäftigung konnte er sich dieses Jahr für den ersten Weihnachtstag ohnehin nicht vorstellen. Er wünschte Tommaso ein frohes Fest im Kreise der Familie.
     
     
    78.
     
    Plötzlich begann es zu schneien. Die weiße Weihnacht, von der so viele träumten. Im Licht der Scheinwerfer führten die Flocken ihren Tanz auf, ein himmlisches, schwereloses Ballett.
    Es war die Stunde, in der die Familien in ihren warmen Stuben Bescherung feierten. Wer es sich leisten konnte, war erst gar nicht in der Stadt geblieben. Thann fiel nichts ein, auf das er sich freuen konnte, als er nach Hause kam. Es war kalt und wüst. Und wenn jemand zu Besuch käme, führte er wahrscheinlich nichts Gutes im Schilde. Schneider und Dalla waren unterwegs. Hausaufgaben machen. Er oder sie.
     
    Zwanzig Uhr. Thann hatte Hunger und bestellte etwas bei Pizza-Pronto. Sie
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