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Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Titel: Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
Autoren: Paul Watzlawick
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vielleicht – würde sich schon so absurd verhalten wie der Mann im Beispiel vom verlorenen Schlüssel? Er weiß doch ganz genau und sagt es dem Polizisten auch, daß das Gesuchte nicht dort liegt, wo er es sucht. Zugegeben, es ist schwieriger, etwas im Dunkeln (der Vergangenheit) statt unter dem Lichtkegel (der Gegenwart) zu finden, aber darüber hinaus beweist der Witz doch gar nichts.
    Haha – und warum, glauben Sie, wird der Mann als betrunken hingestellt? Ganz einfach, weil der Witz, um seine Pointe anzubringen, auf diese billige Weise glaubhaft machen muß, daß irgend etwas mit dem Mann nicht stimmt; daß er etwas weiß und doch nicht weiß.
    Besehen wir uns dieses Irgendetwas. Von der Anthropologin Margaret Mead stammt die Scherzfrage, was der Unterschied zwischen einem Russen und einem Amerikaner sei. Der Amerikaner, sagte sie, neigt dazu, Kopfweh vorzuschützen , um sich glaubwürdig einer unerwünschten gesellschaftlichen Verpflichtung zu entziehen; der Russe dagegen muß das Kopfweh tatsächlich haben. Ex oriente lux , kann man da nur wieder einmal sagen, denn sie werden zugeben, daß die russische Lösung ungleich besser und eleganter ist. Der Amerikaner erreicht zwar seinen Zweck, weiß aber, daß er schwindelt. Der Russe dagegen bleibt in Harmonie mit seinem Gewissen. Er hat die Fähigkeit, ganz nach Bedarf einen Entschuldigungsgrund herbeizuführen, der ihm nützlich ist, ohne aber zu wissen (und ohne daher dafür verantwortlich zu sein), wie er es schafft. Seine rechte Hand weiß sozusagen nicht, was seine linke tut.
    Auf diesem Spezialgebiet scheint jede Generation ihre großen Könner zu entwickeln, die allerdings oft im verborgenen wirken und nur manchmal der Öffentlichkeit bekannt werden. So blickt in unseren Tagen der Minderbegabte zum Beispiel voll Bewunderung auf zwei Männer, deren Talent hier kurz skizziert sei.
    Der eine ist ein gewisser Bobby Joe Keesee, der laut United Press vom 29. April 1975 für die Entführung und Ermordung des amerikanischen Vizekonsuls im mexikanischen Hermosillo eine Gefängnisstrafe von zwanzig Jahren zu verbüßen hatte. Als die Richter ihn vor dem Urteilsspruch fragten, ob er noch etwas zu seiner Verteidigung zu sagen habe, antwortete er: »There is nothing more I could say. I got involved in something I realize was wrong.« Der Eleganz dieser Distanzierung von der Tat kann auch die beste deutsche Übersetzung nicht gerecht werden. Der erste Satz läßt sich zur Not mit »Ich habe nichts hinzuzufügen« übertragen. Der zweite Satz dagegen ist nicht so einfach. »I got involved« kann, je nach Belieben, sich auf Unabsichtliches oder Absichtliches beziehen; nämlich entweder »Ich wurde in etwas verwikkelt « oder »Ich ließ mich auf etwas ein«. Im einen wie im anderen Falle aber ist der springende Punkt die darauf folgende Verwendung von »I realize« in der Gegenwart, also »etwas, von dem ich (jetzt) weiß, daß es unrecht war«. In anderen Worten: Als er die Tat verübte, war ihm das nicht klar.
    All das scheint an und für sich kaum bemerkenswert. Die Sache wird erst interessant, wenn wir weiterlesen und erfahren, daß Keesee 1962 aus der US-Armee desertierte, ein Flugzeug stahl und nach Kuba flog. Dafür wurde er nach Rückkehr in die Staaten zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl er behauptete, im Auftrag des CIA gehandelt zu haben. 1970 brachte er es dann fertig, Mitglied einer Gruppe von Geiseln zu sein, die palästinensische Guerilleros in Amman gefangenhielten, und 1973 tauchte er zu jedermanns Erstaunen in einer Gruppe von amerikanischen Kriegsgefangenen auf, die von den Nordvietnamesen entlassen wurden.
    Weniger abenteuerlich, dafür aber um so öfter bringt es Mike Maryn fertig, sich sozusagen nachtwandlerisch in Schwierigkeiten zu manövrieren. Laut einer Zeitungsmeldung vom 28. Juli 1977 [10] war er bis zu diesem Zeitpunkt 83mal überfallen und ausgeraubt worden, und viermal wurde ihm sein Auto gestohlen. Er ist weder Juwelier noch Geldbriefträger. Seine Angreifer waren kleine Jungen, Jugendliche, erwachsene Männer und mehrere Frauen. Er selbst hat keine Ahnung, wie »es« dazu kommt, und auch die Polizei hat keine bessere Erklärung, außer daß er halt »zur falschen Zeit am falschen Ort« ist.
    Schön, werden Sie sagen, damit wissen wir aber immer noch nicht, wie man das schafft. Noch einen Augenblick Geduld, bitte.

Die Geschichte
mit dem Hammer  
     
     
    E in Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den
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