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Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Titel: Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
Autoren: Paul Watzlawick
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hier nicht beschäftigen.)
    Nichtnullsummenspiele sind dagegen – wie schon der Name besagt – Spiele, in denen Gewinn und Verlust sich eben nicht ausgleichen. Das bedeutet, daß die Summe von Gewinn und Verlust über oder unter Null liegen kann; mit anderen Worten: In einem solchen Spiel können beide (beziehungsweise, wenn mehr als zwei Spieler beteiligt sind, alle ) Spieler gewinnen oder verlieren. Nur auf den ersten Blick scheint das unklar, aber dann kommen uns sofort Beispiele in den Sinn; etwa ein Streik. Da verlieren meist beide »Spieler«, die Betriebsführung und die Belegschaft. Denn obwohl im weiteren Verlauf sich aus der Kontroverse ein endgültiger Vorteil für die eine oder die andere Partei ergeben kann, muß es keineswegs zutreffen, daß Verlust und Gewinn gleich Null sind.
    Stellen wir uns nun aber zusätzlich vor, daß die durch den Streik verursachten Produktionsausfälle einem Konkurrenzunternehmen insofern sehr zugute kommen, als jenes nun bedeutend mehr eigene Produkte verkaufen kann als zuvor. Insofern haben wir es dann doch mit einer Art Nullsummenspiel zu tun, denn es könnte sich nun durchaus die Situation ergeben, daß die streikbedingten Verluste des ersten Unternehmens dem dadurch bewirkten Gewinn der zweiten Firma entsprechen. Diese Zeche aber bezahlen Management und Arbeiterschaft des ersten Unternehmens, da sie beide zu Verlierern wurden.
    Bringen wir nun diese Problematik von den abstrakten Gefilden der Mathematik oder den kollektiven Scharmützeln zwischen Management und Gewerkschaften auf die Ebene menschlicher Beziehungen herunter. Ist eine Partnerbeziehung ein Nullsummen- oder ein Nichtnullsummenspiel? Um das zu beantworten, müssen wir uns fragen, ob es zutrifft, daß da die »Verluste« des einen Partners dem »Gewinn« des anderen entsprechen.
    Und hier scheiden sich die Geister. Der Gewinn, zum Beispiel, der im eigenen Rechthaben und dem Nachweis des Irrtums (dem Verlust) des Partners liegt, läßt sich durchaus als Nullsummenspiel auffassen. Und viele Beziehungen sind es auch. Um sie dazu zu machen, genügt es, wenn einer der beiden eben das Leben als Nullsummenspiel sieht, das nur die Alternative zwischen Gewinn und Verlust offenläßt. Alles weitere ergibt sich zwanglos, auch wenn die Philosophie des anderen zunächst nicht dahin gehend ausgerichtet war. Man spiele also Nullsumme auf der Beziehungsebene – und man kann sich darauf verlassen, daß die Dinge auf der Objektebene langsam, aber sicher zum Teufel gehen. Was Nullsummenspieler nämlich leicht übersehen, verbissen, wie sie in die Idee des Gewinnens und gegenseitigen Übertrumpfens sind, ist der große Gegenspieler, der (nur scheinbar) lachende Dritte, das Leben, demgegenüber beide verlieren.
    Warum fällt es uns bloß so schwer, einzusehen, daß das Leben ein Nichtnullsummenspiel ist? Daß man daher gemeinsam gewinnen kann, sobald man nicht mehr davon besessen ist, den Partner besiegen zu müssen, um nicht besiegt zu werden? Und – für den routinierten Nullsummenspieler ganz unfaßlich – daß man sogar mit dem großen Gegenspieler, dem Leben, in Harmonie leben kann?
    Aber ich stelle schon wieder rhetorische Fragen, auf die schon Nietzsche eine Antwort zu geben versuchte, als er in Jenseits von Gut und Böse behauptete, Irrsinn bei einzelnen sei selten, aber bei Gruppen, Parteien, Völkern und Zeiten sei er die Regel. Doch warum sollten wir gewöhnlichen Sterblichen weiser sein als die ungleich mächtigeren Nullsummenspieler, zum Beispiel die Politiker, Patrioten, Ideologen oder gar die Supermächte? Nur feste druff – viel Feind, viel Ehr, und wenn alles in Scherben fällt …

Epilog  
     
     
    D ie grundlegende Regel, wonach das Spiel kein Spiel, sondern todernst ist, macht das Leben zu einem Spiel ohne Ende, das eben nur der Tod beendet. Und – als wäre das nicht schon paradox genug – hier liegt eine zweite Paradoxie: Die einzige Regel, die dieses todernste Spiel beenden könnte, ist nicht selbst eine seiner Regeln. Für sie gibt es verschiedene Namen, die an sich ein und dasselbe bedeuten: Fairneß, Vertrauen, Toleranz.
    Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das hat man uns schon gesagt, als wir noch Kinder waren. Und in unserem Kopf wissen wir es auch; aber glauben tun es nur einige wenige Glückliche. Glaubten wir es nämlich, dann wüßten wir, daß wir nicht nur die Schöpfer unseres eigenen Unglücklichseins sind, sondern genausogut unsere Glücklichkeit
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