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Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Titel: Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
Autoren: Paul Watzlawick
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Versuch, eine Freiheit als Freiheit zu besitzen. Dazu führt er aus [19, S. 471]:
     
»Andererseits kann er [der Liebende] sich aber auch nicht mit jener erhabenen Form von Freiheit zufriedengeben, die eine ungezwungene und freiwillige Verpflichtung ist. Wer würde sich mit einer Liebe begnügen, die sich als reine, dem Vertrauen geschworene Treue darbietet? Wem wäre es recht, wenn er hören müßte: ›Ich liebe dich, weil ich mich freiwillig verpflichtet habe, dich zu lieben, und weil ich mein Wort nicht brechen will; ich liebe dich aus Treue zu mir selbst?‹ So verlangt der Liebende den Schwur und ist über den Schwur unglücklich. Er will von einer Freiheit geliebt werden und verlangt, daß diese Freiheit als solche nicht mehr frei sei.«
     
    Mehr über diese merkwürdigen und unlösbaren Komplikationen der Liebe (und vieler anderer Formen scheinbar irrationalen Verhaltens) findet der interessierte Leser in dem Buch Ulysses and the Sirens [2] des norwegischen Philosophen Jon Elster. Doch für den Unglücklichkeitsbedarf des Anfängers mag das eben Gesagte ausreichen. Der Fortgeschrittene aber gibt sich damit nicht zufrieden. Aus diesen Zusammenhängen läßt sich nämlich weiteres Kapital schlagen, das allerdings nur den Groucho Marxens unter uns zugänglich ist. Es setzt eben voraus, daß man sich selbst für liebensunwürdig hält. Damit ist jeder, der einen liebt, prompt diskreditiert. Denn wer einen liebt, der keine Liebe verdient, mit dessen Innenleben stimmt etwas nicht. Ein Charakterdefekt wie Masochismus, eine neurotische Bindung an eine kastrierende Mutter, eine morbide Faszination durch das Minderwertige – von dieser Art sind die Gründe, die sich als Erklärung für die Liebe des oder der Betreffenden anbieten und sie unerträglich machen. (Zur Auswahl der befriedigendsten Diagnose ist eine gewisse Kenntnis der Psychologie oder wenigstens die Teilnahme an Selbsterfahrungsgruppen von großem Wert.)
    Und damit ist nicht nur das geliebte Wesen, sondern auch der Liebende selbst und die Liebe als solche in ihrer Schäbigkeit enthüllt. Was kann man schon mehr wünschen? Besser als jeder andere mir bekannte Autor hat Laing dieses Dilemma in seinen Knoten dargestellt, und ich gebe seine Formulierung daher vollinhaltlich wieder [9, S. 24]:
     
»Ich achte mich selbst nicht
ich kann niemanden achten, der mich achtet. Ich kann nur jemanden achten, der mich nicht achtet.
     
Ich achte Jack
weil er mich nicht achtet
     
Ich verachte Tom
weil er mich nicht verachtet
     
Nur eine verächtliche Person
kann jemanden so verächtlichen wie mich achten
     
Ich kann niemanden lieben, den ich verachte
     
Da ich Jack liebe
kann ich nicht glauben, daß er mich liebt
     
Wie kann er es mir beweisen?«
     
    Nur auf den ersten Blick erscheint das absurd, denn die Komplikationen, die mit dieser Auffassung einhergehen, liegen doch so klar auf der Hand. Dies dürfte aber noch niemanden abgehalten haben, oder, wie Shakespeare es in einem seiner Sonette sagt: »Dies weiß jedweder, doch nicht, wie man flieht den Himmel, der zu dieser Hölle zieht.« Praktisch verliebe man sich also in hoffnungsloser Weise: in einen verheirateten Partner, einen Priester, einen Filmstar oder eine Opernsängerin. Auf diese Weise reist man hoffnungsfroh, ohne anzukommen, und zweitens bleibt einem die Ernüchterung erspart, feststellen zu müssen, daß der andere gegebenenfalls durchaus bereit ist, in eine Beziehung einzutreten – womit er sofort unattraktiv wird.

Edel sei der Mensch,
hilfreich und gut  
     
     
    W er liebt, ist natürlich bereit, dem geliebten Wesen zu helfen. Für besonders edel und gut gilt es aber, auch dort hilfreich zu sein, wo keine besonderen Liebesbande bestehen, also zum Beispiel einem Fremden gegenüber. Selbstlose Hilfe ist ein hohes Ideal und enthält angeblich ihre eigene Belohnung.
    Das braucht uns keineswegs abzuschrecken, denn wie jede andere gute Tat kann auch Hilfsbereitschaft von des Gedankens Blässe angekränkelt werden. Das sahen wir bereits beim Thema Liebe. Um Zweifel an der Selbstlosigkeit und Reinheit unserer Hilfsbereitschaft zu entwickeln, brauchen wir uns nur zu fragen, ob wir dabei nicht doch Hintergedanken haben. Tat ich es als Einzahlung auf mein himmlisches Sparkonto? Um zu imponieren? Bewundert zu werden? Um den anderen zur Dankbarkeit mir gegenüber zu zwingen? Ganz einfach, um meinen seelischen Katzenjammer zu kurieren? Sie sehen bereits, der Macht des negativen Denkens sind kaum Schranken
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