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Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)

Titel: Anleitung zum Unglücklichsein (German Edition)
Autoren: Paul Watzlawick
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für die erwartungsvollen Damen und für seine eigene Leistungsfähigkeit (die auf den Mythos der última noche eingestellt ist) kann man sich ausmalen. Wieder einmal sehen wir, wieviel besser es ist, hoffnungsfroh zu reisen, als anzukommen.
    Ähnliche Probleme bedrängen die italienische Männerwelt, seit die Italienerinnen sich in den letzten Jahrzehnten merklich emanzipierten. Früher konnte der Italiener sich so feurig benehmen, wie er sich als Mann verpflichtet glaubte. Das Risiko war gering, denn sie wies ihn ja (meist) verläßlich ab. Eine der Grundregeln männlichen Flirts lautete: Wenn ich mit einer Frau, irgendeiner Frau, mehr als fünf Minuten allein bin und sie nicht anfasse, glaubt sie, ich sei ein Homosexueller. Das Problem ist nur, daß die Damen der Sache gegenüber nun wesentlich aufgeschlossener sind, und wenn den einschlägigen psychiatrischen Statistiken zu trauen ist, ist die Zahl der wegen Impotenz behandelten Patienten in starkem Ansteigen. Sich routinemäßig männlich-leidenschaftlich zu benehmen ist eben nur dann ungefährlich, solange der Partnerin zuzutrauen ist, daß sie die »richtige« Komplementärhaltung einnimmt und einen mütterlich- gütig ablehnt.
    Uns Europäern dagegen kann es in den USA leicht passieren, einem dem Irrtum des Latin Lovers diametral gegensätzlichen Trugschluß zu verfallen. Die Zeit, die man einem Unbekannten direkt in die Augen blicken darf, ist sehr kurz. Wird sie auch nur um eine Sekunde überschritten, so führt das in Europa und in den USA zu sehr verschiedenen Resultaten. Bei uns schöpft der andere meist Verdacht, bricht den Blickkontakt ab und wird sichtlich unnahbar. In Nordamerika dagegen lächelt er (und besonders sie). Das kann auch den Schüchternsten zur Annahme verleiten, diese Person bringe uns besondere Sympathie entgegen – sozusagen Liebe auf den ersten Blick –, und die Situation biete daher besondere Chancen. Sie bietet sie aber keineswegs; nur die Spielregeln sind anders.
    Wozu dieser Eintopf pseudoethnologischer Raritäten? Nicht nur, um Ihnen mit meinem kosmopolitischen Wissen zu imponieren, sondern ganz einfach auch deswegen, weil man die eigene Auslandsreise (beziehungsweise den Inlandsaufenthalt des Ausländers) nach diesem Rezept höchst enttäuschend gestalten kann. Wiederum ist das Prinzip denkbar simpel: Man nehme, allen Gegenbeweisen zum Trotz, schlicht an, das eigene Benehmen sei unter allen Umständen selbstverständlich und normal. Damit »wird« alles andere Benehmen in derselben Situation verrückt oder zumindest dumm.

Das Leben als Spiel  
     
     
    V om amerikanischen Psychologen Alan Watts stammt der Aphorismus, das Leben sei ein Spiel, dessen Spielregel Nr. 1 lautet: Das ist kein Spiel, das ist todernst. Und Laing hatte offensichtlich ähnliches im Sinne, als er in seinen Knoten schrieb: »Sie spielen ein Spiel. Sie spielen damit, kein Spiel zu spielen. Zeige ich ihnen, daß ich sie spielen sehe, dann breche ich die Regeln, und sie werden mich bestrafen« [9, S. 7].
    An mehreren Stellen unseres Leitfadens war bereits davon die Rede, daß eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Unglücklichkeit darin besteht, daß man die rechte Hand nicht wissen läßt, was die linke tut. Auf diese Weise spielt man Watts’ oder Laings Spiel mit sich selbst.
    Das sind keine müßigen Phantasien. Seit langer Zeit beschäftigt sich sogar ein Zweig der höheren Mathematik, nämlich die Spieltheorie, mit diesen und ähnlichen Problemen. Aus diesem Gebiet wollen wir uns unsere letzte Inspiration holen. Wie man sich denken kann, hat der Begriff des Spiels für die Mathematiker keine kindlich-spielerische Bedeutung. Für sie handelt es sich vielmehr um einen begrifflichen Rahmen, in dem ganz bestimmte Regeln gelten, die ihrerseits das bestmögliche Spielverhalten bestimmen. Es versteht sich von selbst, daß man, je nach Verständnis und folgerichtiger Anwendung der Regeln, die eigenen Gewinnchancen optimalisieren kann.
    Von grundsätzlicher Wichtigkeit – auch für unser Anliegen – ist dabei die Unterscheidung zwischen Nullsummen- und Nichtnullsummenspielen. Besehen wir uns zuerst die Klasse der Nullsummenspiele. Sie enthält all jene zahllosen Spiele, in denen der Verlust des einen Spielers den Gewinn des anderen darstellt. Gewinn und Verlust belaufen sich daher, zusammengezählt, immer auf Null. Jede einfache Wette beruht auf diesem Prinzip. (Daß es darüber hinaus viel kompliziertere Spiele dieser Art gibt, soll uns
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