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Anita Blake 12 - Nacht der Schatten

Anita Blake 12 - Nacht der Schatten

Titel: Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Speisesaal zu sehen war. Der Gefangene roch das Essen, während er verhungerte. Ich habe mich bei der Geschichte gefragt, ob die Leute beim Essen den Gefangenen schreien hören konnten. Die meisten Oublietten lagen viel abgeschiedener, sodass man an den Gefangenen nicht mehr zu denken brauchte, sobald er einmal dort drin war.
     
    Zwei Werwölfe in freundlicher Menschengestalt knieten bei dem Deckel und fingen an, zwei große Schrauben zu lösen. Es gab keinen Schlüssel. Man konnte den Deckel abschrauben und einfach hinabsteigen. Scheiße. Der Deckel kam los, und man brauchte zwei Leute, um ihn beiseitezuschaffen. Er war schwer, für den Fall dass die Drogen doch nicht die Adrenalinausschüttung unterdrückten und der Gestaltwechsel stattfand. Aber selbst in Tiergestalt hätte man es schwer, den Deckel wegzukriegen.
     
    Ich ging an den Rand des Loches und prallte vor dem Gestank zurück. Es stank wie ein Plumpsklo. Keine Ahnung, warum mich das überraschte. Gregory war schon seit drei, vier Tagen dort unten. In den Filmen sieht man die Leute verhungern und all den romantischen Kram - oder besser: romantisierten Kram-, aber keiner erzählt von der Darmtätigkeit und der Tatsache, dass man nun mal muss, wenn man muss. Das ist nicht romantisch, das ist erniedrigend .
     
    Jamil brachte eine Strickleiter und machte sie mit großen Karabinerhaken an einer Seite des Einstiegs fest. Sie fiel mit einem trocknen Gleitlaut ins Dunkle. Ich zwang mich zurück an den Rand des Loches. Jetzt war ich auf den Gestank vorbereitet und roch außer dem Leben auf zu kleinem Raum auch etwas Trockenes, Staubiges: den Geruch von alten Knochen, altem Tod.
     
    Gregory war nicht der Stärkste, den ich kannte, war nicht mal unter den ersten Hundert. Was hatte es bei ihm angerichtet, im Dunkeln bei diesem Gestank auf alten Knochen zu liegen, die sich an seine Haut drückten? Hatte man ihm erklärt man werde ihn dort sterben lassen? Dass man, wenn der Deckel abgeschraubt würde, nicht käme, um ihn rauszuholen, sondern um ihm eine neue Spritze zu verpassen ?
     
    In dem Loch war es stockfinster, schwärzer als die Nacht. Es herrschte eine Dunkelheit, wie ich sie lange nicht gesehen hatte.
     
    Das Loch war so breit, dass Richard sich darin hätte bewegen können, aber nur gerade so. Je länger ich hinein starrte, desto enger schien es zu werden. Es kam mir vor wie ein schwarzer Schlund, der mich verschlucken wollte. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich an Klaustrophobie leide?
     
    Richard trat neben mich und spähte hinunter. Er hatte eine Taschenlampe in der Hand. Auf meinem Gesicht musste sich etwas abgespielt haben, denn er sagte: »Selbst wir brauchen da drin ein bisschen Licht.«
     
    Ich streckte die offene Hand aus. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin dafür verantwortlich, ich werde ihn rausholen.« »Nein. Er gehört mir.«
     
    Er kniete sich neben mich und flüsterte: »Ich kann deine Angst riechen. Ich weiß, dass du Enge nicht magst.«
     
    Ich starrte in das Loch und machte mir meine Angst bewusst. Sie war so groß, dass ich einen metallischen Geschmack auf der Zunge hatte, und das Herz schlug mir im Hals. Meine Stimme kam ruhig und normal. Ich war froh. »Es spielt keine Rolle, ob ich Angst habe.« Ich griff nach der Taschenlampe, aber er hielt sie fest. Wenn ich jetzt nicht Tauziehen spielen wollte - was ich wahrscheinlich verlieren würde -, würde ich sie nicht kriegen.
     
    »Warum musst du immer die Härteste und Mutigste sein? Warum kannst du mich nicht ein Mal, nur ein Mal, etwas für dich tun lassen? Mir macht es keine Angst, in das Loch zu steigen. Lass mich das für dich tun. Bitte.« Sein Ton war noch sanft, und er neigte sich zu mir, sodass ich das getrocknete Blut an ihm riechen konnte, und den satten Geruch von frischem Blut aus seinem Mund, als wäre dort ein kleiner Riss noch nicht ganz verheilt. »Ich muss das tun, Richard.«
     
    »Warum?« Der erste Anflug von Ärger war zu hören. »Weil es mir Angst macht und ich wissen will, ob ich's kann.« »Ob du was kannst?« »In das Loch kriechen.«
     
    »Warum? Warum musst du das wissen? Du hast mir und jedem anderen hier gezeigt, wie hart du bist. Du brauchst uns nichts mehr zu beweisen.« »Mir, Richard. Mir muss ich etwas beweisen.«
     
    »Was würde es bedeuten, wenn du nicht in das stinkende Lochen steigen könntest? Du wirst es nie wieder tun müssen, Anita. Lass es einfach sein.«
     
    Ich sah ihn an, sah seine Ratlosigkeit, seine Augen, die wieder ihr
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