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Animus

Animus

Titel: Animus
Autoren: Marina Heib
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Potomac River hindurch bis rüber zur Theodore Roosevelt Island.«
    »Wow. Liegt dort der Schatz der Tempelritter?« Vermutlich war Lucys Nervosität schuld an ihrem Sarkasmus.
    »So was Ähnliches. Dort befindet sich in etwa zwanzig Meter Tiefe eine von vier geheimen Hightechkommandozentralen. Abhörsicher, nicht zu orten. Ich vermute, dass March sich mit dem Vizepräsidenten und dem Krisenstab dort eingerichtet hat. Die anderen liegen weiter weg.«
    »Weiter weg wovon?«
    Wir bewegten uns schnell und problemlos durch den gut ausgebauten und hervorragend belüfteten Gang.
    »Theodore Roosevelt Island ist durch Geheimgänge wie diesen sowohl direkt mit dem Weißen Haus als auch mit dem Pentagon verbunden. Fluchtwege für die First Family und andere hohe Tiere. Falls der Schutzbunker im Weißen Haus aus irgendwelchen Gründen nicht opportun ist. Nur wenige Eingeweihte kennen die Gänge.«
    »Und wieso glaubst du, dass sie nicht im Schutzbunker sind?«
    »Weil Pamela von einer geheimen Kommandozentrale gesprochen hat.«
    »Und du meinst, wenn wir plötzlich in diesem supergeheimen Führerbunker auftauchen und laut und freundlich ›Überraschung‹ rufen, werden sich alle freuen und uns einen Yogitee anbieten?«
    »Spürst du irgendeinen Alarm?«
    »Nein, alles in Ordnung. Nur Kameras, Mikros, Bewegungsmelder …« Lucy blieb abrupt stehen. »Hast du mich mitgenommen, damit die Ratte dir den Weg sichert?«
    Ich sah Lucy enttäuscht an. Sie wusste, dass es eher umgekehrt war.
    »Tut mir leid. Meine Nerven liegen blank«, entschuldigte sie sich sofort. Ich ging weiter.
    »Die wissen längst, dass wir kommen. Falls sie was dagegen einzuwenden hätten, wären wir schon längst tot. Neben den Kameras und all dem anderen Kram sind auch Düsen in den Wänden, die die Gänge im Fall einer Attacke mit tödlichem Nervengas fluten.«
    Nach etwa einer Viertelstunde verbreiterte sich der Gang zu einem etwa zwanzig Quadratmeter großen Raum. Kaum hatten wir ihn betreten, gingen gleißende Lichter an, und eine Stimme aus einem Lautsprecher forderte uns auf, uns vor die Mitte der rechten Wand zu stellen.
    »Ein Nacktscanner«, erklärte ich Lucy. »Wir werden nach Waffen oder Ähnlichem durchleuchtet.«
    Nach der kurzen Prozedur öffnete sich eine Stahltür. Zwei Sicherheitsbeamte empfingen uns. Ich kannte den einen. Er warf mir einen finsteren Blick zu und vergaß das Grüßen. Mein Verschwinden während der Angriffe hatte wohl auch bei den unteren Dienstgraden zu einiger Verwunderung geführt. Ohne ein Wort zu sagen, brachte er uns zu March in die Zentrale. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Der militärische Krisenstab plante mit einigen hochrangigen Geheimdienstlern die mögliche weitere Vorgehensweise. Monitore surrten, auf der Mediawand befand sich eine Karte der Geheimgänge.
    Lucy kam nicht dazu, sich alles in Ruhe anzusehen. Kaum kamen wir herein, trat March seitlich neben sie und hielt ihr seine Pistole gegen die Schläfe.
    »Ich sollte sie abknallen.«
    Plötzlich war Stille im Raum. March spannte den Abzug.
    »Sie hat Ihren Arsch gerettet, vergessen Sie das nicht, March. Ohne Lucy würden Sie jetzt durch die Flure des Weißen Hauses stauben«, ging ich dazwischen.
    »Wie viele andere«, gab March zurück.
    Alle im Raum hielten fast hörbar den Atem an. Es gab sicher einige, die sowohl Lucy als auch mir den sofortigen Tod wünschten.
    »Schießen Sie, Chef!«, forderte da auch tatsächlich der Sicherheitsbeamte, der uns hergebracht hatte.
    March sah ihn verächtlich an, nur für eine Sekunde, dann nahm er den Finger vom Abzug und die Waffe von Lucys Schläfe. Vermutlich hatte der Übereifer des rachsüchtigen Idioten Lucy gerettet. March ließ sich von niemandem sagen, was er zu tun hatte. Schon gar nicht von einem Subalternen.
    Aus einem Nebenraum trat Snyder hinzu, in der Hand einen Pappbecher mit dampfendem Kaffee.
    »Da sind Sie ja endlich, Pete. Hat lange gedauert. Können wir?« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf einen Flur, in dem ein kleines Besprechungszimmer lag, wie ich von früheren Besuchen wusste. Er ging voraus. Dankbar für die betonte Selbstverständlichkeit, mit der er vorgab, mit meinem Erscheinen gerechnet zu haben, folgte ich ihm mit Lucy im Schlepptau.
    March schloss die Tür hinter Snyder, Lucy und mir.
    »Wie ist die Lage?«, begann ich.
    March lachte auf: »Wie wohl? Ein Bild der moralischen Verwahrlosung, die allerorts unter der Zivilbevölkerung zutage tritt. Während sich unsere Truppen
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