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Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)

Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)

Titel: Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
Autoren: I. Albrecht
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die Originalhaustür sein musste. Solche Handwerkskunst gehörte der Vergangenheit an, es sei denn, man konnte sie sich leisten. Ging man nach dem Anstrich des Hauses, konnte die Besitzerin sie sich nicht leisten. Seufzend betrachtete er den Draht an der Stelle, wo die Klingel hätte sein sollen. Jemand hatte die Enden mit schwarzem Isolierband umwickelt, damit man keinen Schlag bekam.
    Als auf sein Klopfen niemand reagierte, klopfte er noch einmal, diesmal lauter. Immer noch keine Antwort.
    Johannes legte den Kopf zur Seite und lauschte. Er konnte im Haus nichts hören, aber aus dem hinteren Garten schien Kindergelächter zu dringen. Johannes zuckte mit den Schultern und ging um das Haus herum. Dabei musste er sich durch noch mehr Topfpflanzen, noch mehr Rattanmöbel, einen Plastikkindertisch mit zwei Bänken und einen Wagen voller Steine kämpfen.
    Als er das Ende der Veranda, von wo aus er den Garten überblicken konnte, erreichte, blieb er abrupt stehen.

 
    Das Gelächter der Kinder war mit jedem Schritt, den er tat, lauter geworden, aber er war durch das Sammelsurium auf der Veranda zu abgelenkt gewesen, um dem groß Beachtung zu schenken. Nun wünschte er sich, er hätte es getan.
    Der Garten quoll über von Kindern. Es mussten mindestens hundert sein. Nun gut, vielleicht war das übertrieben, und es waren nur zwei Dutzend, aber der Aufruhr, für den sie sorgten, ließ es nach mehr erscheinen. Überall waren Kinder!
    Kinder, die an zwei Tischen saßen, Kinder, die einander mit Wasserpistolen jagten, Kinder hoch oben in einer Eiche, in der man Teile eines Baumhauses erkennen konnte, und Kinder, die mit Bällen, Ballons und einer großen, pelzigen Kreatur spielten, die wohl ein Hund war. Im Mittelpunkt all dessen stand eine blonde Frau: Sanna!
      Eine erschöpfte und wunderschöne Sanna, die sich mit einer Geburtstagstorte in der Hand einen Weg durch die Kinder bahnte.
    Sie war schlicht atemberaubend.
    Er stand im Schatten der Veranda und sah zu, wie sie die sieben Kerzen auf dem Geburtstagskuchen anzündete und die Kinder aus allen Richtungen herbeigerannt kamen, um Happy Birthday zu singen. Er konnte nicht sagen, für welches Kind sie sangen, nur dass das Geburtstagskind Jonas hieß. Er sah zu, wie sich ein Junge über den Kuchen beugte, innehielt, zweifellos, um sich etwas zu wünschen und dann die Kerzen ausblies. Alle applaudierten und jubelten ihm zu. Sanna strahlte vor Stolz und Liebe. Jonas musste ihr Sohn sein.
    Er bemerkte, dass noch eine andere Frau mit im Garten war, die alles auf Video aufnahm. Sie und Sanna sahen einander ähnlich, und Johannes fragte sich, ob es ihre Schwester war. Nach einiger Zeit ließ sie die Kamera sinken und machte sich daran, Hamburger und Hotdogs auf den Grill zu legen.
    Er überlegte, ob er gehen und später wiederkommen sollte, verwarf die Idee aber sofort wieder. Wieder sah er das Geburtstagskind an. Er hatte nicht gewusst, dass seine Traumfrau einer Nacht Kinder hatte. Was er über Kinder wusste, ließ sich in drei Worten zusammenfassen: Krieg bloß keine.
    „Jonas, was hast du dir gewünscht?“, krähte ein kleiner Junge. Ein anderer schloss sich sofort an. Anscheinend wollte jeder wissen, was der Junge sich gewünscht hatte.
    Sannas Lachen weckte seine Aufmerksamkeit und ging ihm direkt ins Herz. Er hatte noch nie einen lieblicheren Laut gehört.
    „Verrate es nicht, Jonas“, warnte sie, während sie den Kuchen anschnitt.
    „Warum nicht?“, fragte der braunhaarige Junge.
    „Das bringt Unglück. Wenn du jemandem verrätst, was du dir zum Geburtstag gewünscht hast, geht es nicht in Erfüllung.“
    Jonas seufzte und nahm sein Stück Kuchen entgegen.
    „Wirklich?“
    „So sagt man.“ Sanna zwinkerte ihrem Sohn zu und wandte sich wieder dem Kuchen zu.
    Johannes versuchte sich zu erinnern, was er sich zum siebten Geburtstag gewünscht hatte, und konnte es nicht. Als einziges Kind eines wohlhabenden Ehepaares, das Karriere gemacht hatte und ihn bekam, als sie schon älter waren, hatte es ihm an nichts gefehlt. Er bekam das beste von allem, was man für Geld kaufen konnte. Das beste Kindermädchen, die besten Spielsachen, die beste Ausbildung. Er hatte alles gehabt, nur keine Eltern, die Zeit für ihn hatten.

 
    Jonas jedoch wirkte so, als würde ihm gar nichts fehlen, und es sah nicht so aus, als hätte seine Mutter zu wenig Zeit für ihn.
    „Bist du ein Fremder?“
    Johannes zuckte erschrocken zusammen. Er war so damit beschäftigt gewesen, Sanna und
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