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Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)

Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)

Titel: Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
Autoren: I. Albrecht
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ihren Sohn zu beobachten, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass sich ein kleines Mädchen aus dem Fliederbusch neben der Veranda gewühlt hatte. Sie trug ein hübsches rosa Kleid, das irgendwann einmal sauber gewesen sein musste. Jetzt war es voller Dreck, Ketchup und einer seltsamen grünen Masse. Beide Knie waren aufgeschlagen. Der Saum eines ihrer weißen Söckchen war aufgeribbelt, der Strumpf heruntergerutscht, und mindestens drei Blätter hatten sich in ihrem dicken blonden Zopf verfangen. Ihr Gesicht war eine Miniaturausgabe von Sannas Gesicht. Selbst die Augen waren von dem gleichen sanften Grün. Sie musste Sannas Tochter sein.
    „Ich bin vielleicht ein Fremder für dich“, antwortete er, „aber deine Mutter kennt mich.“
    Das Mädchen sah ihn eine Weile an, ehe es lächelte. „Hat sie dich zur Feier meines Bruders eingeladen?“
    „Nein.“ Sein Magen machte einen komischen Sprung. Die Kleine lächelte auch genauso wie Sanna. „Ich war gerade hier in der Gegend und dachte, ich komme mal vorbei.“
    „Oh, dann ist es in Ordnung.“ Sie griff unter den Fliederbusch und zog eine dreckige Puppe mit verfilzten Haaren hervor.
      „Mama sagt, je mehr, desto föhlicher.“
    „Es heißt fröhlicher.“
    „Was heißt fröhlicher?“
    „Man sagt, je mehr, desto fröhlicher.“ Er betrachtete das schmutzige Kind und die verdreckte Puppe und fragte sich, was das Paar wohl unter dem Busch gemacht hatte.
    „Das habe ich doch gesagt.“ Sie wandte sich zum Gehen, machte drei Schritte und drehte sich noch einmal um.
    „Kommst du?“
    Johannes grinste. Er war gerade offiziell gebeten worden, an den Feierlichkeiten teilzunehmen.
    „Sicher.“ Er kam von der Veranda herunter und streckte ihr die Hand hin. „Ich heiße Johannes Kluger.“
    Er ignorierte den Schmutzstreifen auf ihrem Handrücken, als er ihre Hand ergriff.
      „Und wie heißt du?“
    „Anna-Maria.“
    „Anna-Maria? Deine Mutter hat ihre schöne kleine Tochter Anna-Maria genannt?“
    „Mama hat mich Anna-Maria getauft.“ Der komische Ausdruck auf Anna-Marias Gesicht brachte Johannes zum Lachen. „Ich höre aber nur, wenn man mich Amie ruft.“
    Es brauchte viel Willenskraft, um ernst zu bleiben. „Ich verstehe.“ Er sah sich um; die Party ging in vollem Schwung weiter. Bis jetzt hatte ihn noch kein anderer bemerkt, und Sanna schien im Haus verschwunden zu sein. „Willst du mich den anderen vorstellen, Anna-Maria?“ Wie mischt man sich unter die Geburtstagsgäste eines Siebenjährigen, fragte sich Johannes, und worüber redete man?

 
    „Okay“, erklärte sich Anna-Maria einverstanden und ging ihm in das Chaos voran.
    Johannes erschauerte, als ein Strom kalten Wassers die Rückseite seines weißen Polohemdes durchweichte. Schnell drehte er sich um und sah die beiden Jungen mit den Wasserpistolen in den Händen wütend an. Beide kicherten und gingen hinter der großen Eiche mit dem Baumhaus in Deckung.
    Soviel zu seinem Wunsch, sauber und adrett auszuschauen, wenn er sich um den Renovierungsauftrag bewarb. Das Hemd klebte ihm am Rücken, und von dem Händedruck mit Anna-Maria war etwas Klebriges zurückgeblieben.
    Gerade noch konnte er zwei menschlichen Wirbelstürmen ausweichen, die mit Vanilleeis, Kekskrümeln und Soda bedeckt waren und im Vorbeistürmen riefen: „Bahn frei!“ Als er Anna-Maria durch weitere klebrige Kinder folgte, überlegte er, ob er nach Hause fahren, duschen und an einem anderen Tag wiederkommen sollte.
    „Hallo.“ Anna-Marias schmutzige Finger zupften an seiner Hose.
    „Das ist meine Tante Clara. Sie ist Krankenschwester und arbeitet in einem großen Krankenhaus.“
    Johannes drehte sich um und sah die Frau vor dem Grill genauer an. Sie war eindeutig mit Sanna verwandt. Er lächelte ihr freundlich zu, streckte die rechte Hand hin, seufzte und zog sie schnell wieder zurück. „Tut mir leid. Ich bin Johannes Kluger, der Gutachter, der das Haus begutachten soll.“
    Claras Ausdruck wandelte sich von willkommen heißend zu neugierig und dann zu einem Ich-weiß-Schon-Grinsen.

 
    „Ich bin Clara Blum.“ Sie warf einen Blick auf die Glastüren, die ins Haus führten, und ihr Grinsen wurde breiter.
    „Freut mich, Sie kennenzulernen.“
    „Ganz meinerseits.“ Clara wurde von dem Geräusch abgelenkt, als die Tür aufging. Sanna kam heraus und balancierte ein Tablett mit rund dreißig Pappbechern voller Soda oder Punsch, wobei sie auf den Weg achtete, nicht auf die Gäste.
    Johannes atmete erleichtert auf,
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