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Angélique - Am Hof des Königs

Angélique - Am Hof des Königs

Titel: Angélique - Am Hof des Königs
Autoren: A Golon
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Steilhang aufragenden Mauern einer gewaltigen Festung.
    »Was ist das für ein großes Bollwerk neben der Porte Saint-Antoine?«, fragte sie ihre Schwester mit gedämpfter Stimme.
    »Die Bastille«, flüsterte Hortense hinter ihrem Fächer.
    Angélique konnte den Blick nicht davon abwenden. Sie sah acht mächtige Türme, von denen jeder mit einem kleinen Wachtürmchen gekrönt war, fensterlose Fassaden, Mauern, Fallgatter und Gräben, eine einsame Insel des Leids im weiten Ozean einer gleichgültigen Stadt, eine abgeschlossene Welt, zu der das Leben keinen Zutritt hatte und in die nicht einmal an diesem Tag die freudigen Rufe dringen würden: die Bastille …!

    Der strahlende König würde zu Füßen der unbeugsamen Hüterin seiner Macht vorbeiziehen.
    Kein Laut würde die Dunkelheit der Verliese durchdringen, in denen Menschen seit Jahren, seit einem ganzen Leben, alle Hoffnung aufgegeben hatten.
    Das Warten dauerte an. Endlich verriet das Geschrei der ungeduldigen Menge, dass sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte.
    Aus dem Schatten der Porte Saint-Antoine tauchten die ersten Körperschaften auf. Es waren die vier Bettelorden, die Franziskaner, die Dominikaner, die Augustiner und die Karmeliten, denen ihre Kreuze und Wachskerzen vorausgetragen wurden. Die groben schwarzen, braunen und weißen Kutten sprachen der strahlenden Sonne Hohn, die aus Rache ein Meer aus rosigen Schädeln aufleuchten ließ.
    Dahinter folgte der weltliche Klerus mit seinen Kreuzen und Bannern, seinen Priestern in Chorrock und viereckigen Mützen.
    Anschließend zogen die Regimenter der Hauptstadt vorbei, deren Trompeten den frommen Gesängen fröhliche Signale folgen ließen.
    Hinter den dreihundert Stadtwachen kamen der Gouverneur M. de Burnonville und seine Garden.
    Dahinter ritt der Vorsteher der Kaufmannschaft inmitten einer herrlichen Eskorte von in grünen Samt gekleideten Lakaien, gefolgt von den Ratsmitgliedern, den Schöffen, den Viertelmeistern und den Vorstehern und Garden der Tuchmacher-, Gewürzhändler-, Krämer-, Kürschner-, Weinhändler- und Goldschmiedezünfte in ihren farbenfrohen Samtroben.
    Das Volk klatschte den sechs Zünften, den Vertretern seiner Kaufmannsgilden, begeistert Beifall.
    Diese Begeisterung wurde merklich kühler, als die Hauptleute der Scharwache, gefolgt von den Wachen des Châtelet und den beiden obersten Richtern in Zivil- und Strafangelegenheiten vorbeizogen.

    Die Menge verstummte, als sie ihre üblichen mürrischen, böswilligen Peiniger erblickte.
    Das gleiche feindselige Schweigen empfing auch die unabhängigen Gerichtshöfe, das Steuergericht und die Rechnungskammer, Symbole der verhassten Abgaben.
    Der Oberste Gerichtspräsident und seine wichtigsten Kollegen boten in ihren tiefroten, hermelinbesetzten, weiten Umhängen und dem mit goldenen Tressen geschmückten schwarzen Samtbarett auf dem Kopf einen prächtigen Anblick.
    Es war schon fast zwei Uhr nachmittags. Am strahlend blauen Himmel bildeten sich vergeblich kleine Wölkchen, die von der sengenden Sonne gleich wieder aufgelöst wurden. Die Menschen schwitzten und gerieten allmählich in Trance, den Blick fest auf den Horizont der Vororte geheftet.
    Aufbrausender Beifall verriet, dass die Königinmutter auf den Balkon des Hôtel de Beauvais getreten war. In Begleitung der Königinwitwe von England und deren Tochter, Prinzessin Henriette, nahm sie unter dem Baldachin Platz. Das war das Zeichen, dass der König und die Königin nahten.
    Angélique hatte die Arme um die Schultern von Mme. Scarron und Athénaïs gelegt. Gemeinsam beugten sie sich aus dem Fenster im obersten Stock des Hauses und versäumten nicht eine Sekunde des prächtigen Schauspiels. Hortense und Athénaïs’ jüngere Schwester hatten zusammen mit weiteren Gästen einen Platz an einem anderen Fenster gefunden.
    Zu den am sehnlichsten erwarteten Attraktionen dieses märchenhaften Tages gehörte der Tross des Kardinals. Alle freuten sich auf den Anblick seiner zweiundsiebzig Maultiere, die, in Gruppen von jeweils vierundzwanzig Tieren, mit weißen Federbüschen und herrlichen Decken geschmückt, vorbeiparadieren würden. Dahinter sollte der Stallmeister Seiner Eminenz mit vierundzwanzig reich gekleideten Pagen folgen, dann zwölf herrliche Pferde mit gold- und silberbestickten scharlachroten
Überwürfen, die von zwölf livrierten Lakaien am Zügel geführt würden. Anschließend käme der Höhepunkt, der Gipfel dieser Prachtentfaltung: elf sechsspännige, mit verschiedenen
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