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Angélique - Am Hof des Königs

Angélique - Am Hof des Königs

Titel: Angélique - Am Hof des Königs
Autoren: A Golon
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möglichen hohen Herrschaften bei ihr zu Mittag essen und dann an ihren Balkonen Platz nehmen. Wir werden also die allerbesten Plätze haben. Aber man darf uns natürlich nicht für Zimmermädchen oder arme Schlucker halten, sodass uns die Lakaien womöglich hinauswerfen.«
    Schweigend ging Angélique zu einer ihrer großen Truhen hinüber und öffnete sie.
    »Sieh nach, ob du darin etwas Passendes für euch beide findest. Du bist größer als ich, aber es dürfte nicht allzu schwierig sein, einen Rock mit Spitze oder einer Rüsche zu verlängern.«
    Mit leuchtenden Augen kam Hortense näher.
    Sie konnte ihre Bewunderung nicht verbergen, als Angélique die prächtigen Roben auf dem Bett ausbreitete. Als sie das goldene Kleid erblickte, entfuhr ihr ein entzückter Aufschrei.
    »Ich glaube, das wäre etwas übertrieben für unser Dachfenster«, bemerkte Angélique.
    »Natürlich, du warst ja auch bei der Hochzeit des Königs, da kann man es sich leisten, die Hochmütige zu spielen.«
    »Glaub mir, ich bin sehr zufrieden. Niemand erwartet die Rückkehr des Königs nach Paris sehnlicher als ich. Aber dieses Kleid möchte ich behalten, um es zu verkaufen, falls Andijos mir nicht genug Geld mitbringt, was ich allmählich befürchte. Über die anderen kannst du frei verfügen. Es ist nur gerecht,
dass du eine Gegenleistung für die Kosten bekommst, die mein Aufenthalt hier bei euch verursacht.«
    Nach langem Zögern wählte Hortense schließlich ein himmelblaues Satinkleid für ihre Freundin Athénaïs und ein apfelgrünes Ensemble für sich selbst, das ihren etwas unauffälligen brünetten Typ stärker betonte.
     
    Am Morgen des 26. August musterte Angélique die magere Gestalt ihrer Schwester, die durch die Polster des Manteaus erheblich runder wirkte, ihren dunklen, durch das leuchtende Grün hervorgehobenen Teint und ihr etwas spärliches, aber dafür geschmeidiges und feines Haar, das eine schöne kastanienbraune Farbe besaß.
    »Ich glaube tatsächlich, du könntest beinahe hübsch sein, Hortense, wenn du bloß nicht immer so verbiestert wärst.«
    Zu ihrer großen Überraschung wurde Hortense nicht wütend. Seufzend betrachtete sie sich in dem stählernen Spiegel.
    »Das glaube ich auch«, sagte sie. »Weißt du, ich habe Mittelmäßigkeit stets gehasst und doch in meinem Leben nichts anderes kennengelernt. Ich liebe es, mich mit geistreichen, gut gekleideten Menschen zu unterhalten, und ich gehe für mein Leben gerne ins Theater. Aber es ist so schwer, sich von den häuslichen Pflichten freizumachen. Letzten Winter konnte ich die Empfänge des satirischen Dichters Scarron besuchen. Ein schrecklicher Mensch, verkrüppelt, boshaft, aber was für ein Geist, meine Liebe! Ich bin immer noch bezaubert von diesen Abenden. Unglücklicherweise ist Scarron schwer krank. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als wieder zum Mittelmaß zurückzukehren.«
    »Im Moment siehst du nicht gerade aus, als müsse man Mitleid mit dir haben. Ich versichere dir, du wirkst sehr vornehm.«
    »Natürlich würde das gleiche Kleid bei einer ›echten‹ Prokuratorenfrau nicht die gleiche Wirkung haben. Adel kann man nicht kaufen. Adel hat man im Blut.«

    Über die Schatullen gebeugt, aus denen sie ihren Schmuck auswählten, gewannen die beiden Frauen den Stolz ihres Standes zurück. Sie vergaßen das dunkle Zimmer, die geschmacklosen Möbel und die ausgebleichten Bergamo-Tapeten an den Wänden, die in der Normandie für die bescheidenen Haushalte gewebt wurden.
     
    Im Morgengrauen des großen Tages machte sich der Prokurator auf den Weg nach Vincennes, wo sich alle Beamten versammeln mussten, um den König zu grüßen und feierliche Reden zu halten.
    Kanonendonner antwortete dem Läuten der Kirchenglocken. Die in ihre Prunkuniform gewandete Bürgermiliz nahm mit ihren Piken, Hellebarden und Musketen in den Straßen Aufstellung, die die Ausrufer mit ohrenbetäubendem Geschrei erfüllten, während sie kleine Heftchen verteilten, in denen das Programm der Feierlichkeiten, die Route des königlichen Zuges und die Beschreibung der Triumphbögen enthalten waren.
    Gegen acht Uhr hielt die Kutsche, von der ein Großteil des Goldüberzugs bereits abgeblättert war, vor dem Haus. Mlle. de Tonnay-Charente war ein hübsches junges Mädchen mit frischen Farben: goldenem Haar, rosigen Wangen und einer perlmuttweiß schimmernden Stirn, deren Blässe durch ein Schönheitspflästerchen betont wurde. Das blaue Kleid passte ganz wunderbar zu ihren
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