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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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ein pelzigwarmes Gewicht auf seinem Schoß spürte - »Julius, Lieber, du hast einen ganz besonderen Besuch ...« -, weiß, aber erstaunlich schwer; warm, aber nicht unangenehm heiß, zunächst ein wenig unruhig (Katzen müssen sich bekanntlich umständlich drehen und wenden, um die für sie ideale Ruhestellung zu finden), bis sie nach wenigen Minuten wunderbar entspannt, schnurrend und mit den Pfoten sanft seine Glieder knetend, zufrieden-zutraulich einschlief. Er hätte gern durch die flimmernd wäßrige Weiße seines Gesichtsfelds hindurch die ihr eigene besondere Weiße gesehen, hätte sehr gern noch einmal das so weiche, so seidige Fell gefühlt. Immerhin: Er hörte das tief aus der Kehle kommende melodische Schnurren, er fühlte - bis zu einem gewissen Grade - ihr warmes, pulsierendes Gewicht, das Wunder ihrer geheimnisvollen Lebenskraft, die an die seine rührte, und dafür war er unendlich dankbar.
    »Mein Liebling!«

    © 1994 by Ontario Review, Inc.
    Aus ›Haunted: Tales of the Grotesque‹
    Übersetzt von Renate Orth-Guttmann

Blaue Rose

    1

    An einem schwülen Sommertag saßen die beiden jüngsten der fünf Kinder der Beevers, Harry und Klein Eddie, auf Rohrstühlen auf dem Dachboden ihres Hauses in der South Sixth Street in Palmyra, New York. Ihr Vater nannte es ›den Müllraum oben‹, da der große Raum für Kisten voll mit Tischtüchern, ganze Stapel von zu klein gewordenen Mädchenwintermänteln sowie muffige alte Kleider reserviert war, welche Maryrose Beevers als Zeugen, wie ungleich größer ihre Vergangenheit verglichen mit der Gegenwart gewesen war, hier mumifiziert hatte.
    Ein hoher Spiegel, welcher im Rahmen gekippt werden konnte, Überbleibsel des einstigen Ruhmes ihrer Mutter, zeigte Harry nun den Hinterkopf Klein Eddies. Dieses Ding, das verformbarer aussah, als ein Kopf aussehen sollte, lugte gerade noch über der Rückenlehne hervor. Sogar Klein Eddies Hinterkopf machte auf Harry einen nervösen Eindruck.
    »Kannst mir ruhig glauben«, sagte Harry. Klein Eddie rutschte auf dem Stuhl hin und her, und der wackelige Stuhl rutschte mit ihm. »Meinst du, ich mache Witze? Ich hatte sie letztes Jahr.«
    »Immerhin hat sie dich nicht umgebracht«, sagte Klein Eddie.
    »Natürlich nicht, weil sie mich mochte, du kleiner Dummkopf. Sie hat mich nur ein paarmal geschlagen. Sie hat jeden Tag ein paar der Kinder geschlagen.«
    »Aber Lehrer können doch niemanden umbringen «, sagte Klein Eddie.
    Mit seinen neun Jahren war Klein Eddie nur ein Jahr jünger als er, aber Harry wußte, sein kleinwüchsiger mürrischer Bruder sah ihn ebenso als Bestandteil der Erwachsenenwelt an wie seine älteren Brüder.
    »Die meisten Lehrer nicht«, sagte Harry. »Aber was, wenn sie direkt im selben Haus wie der Rektor wohnen? Was ist, wenn sie Unterrichts-Preise gewonnen haben, hey, und was, wenn jeder andere Lehrer an der Schule starr vor Angst vor ihnen ist? Glaubst du, die können nicht mit einem Mord davonkommen? Meinst du tatsächlich, jemand vermißt einen rotznäsigen kleinen Balg - einen kleinen Balg wie dich? Mrs. Franken nahm diesen Jungen, diesen albernen kleinen Tommy Golz, mit in die Garderobe, und dort hat sie ihn umgebracht. Ich hörte ihn schreien. Am Ende klang es nur noch wie Röcheln. Er versuchte zu kreischen, aber er hatte zuviel Blut in der Kehle. Er kam nie zurück, und keiner verlor jemals ein Wort darüber. Sie hat ihn umgebracht, und nächstes Jahr wird sie deine Lehrerin sein. Ich hoffe, du hast Angst, Klein Eddie, denn das solltest du haben.« Harry beugte sich nach vorne. »Tommy Golz sah dir sogar ein wenig ähnlich, Klein Eddie.«
    Klein Eddies ganzes Gesicht zuckte, als wäre ein Blitzstrahl darüber hinweggehuscht.
    Eigentlich hatte der Junge der Golzens einen epileptischen Anfall gehabt und hatte die Schule verlassen müssen, wie Harry wußte.
    »Ganz besonders haßt Mrs. Franken eigensinnige kleine Bälger, die mit niemandem ihr Spielzeug teilen.«
    »Aber ich teile mein Spielzeug doch«, wimmerte Klein Eddie, und Tränen rannen ihm über die staubverschmierten Wangen. »Jeder nimmt meine Spielsachen, darum.«
    »Dann gib mir deinen Ultraglide Roadster«, sagte Harry. Das war Klein Eddies Geburtstagsgeschenk gewesen, das er vor drei Tagen von einem strahlenden Vater und einer finster blickenden Mutter bekommen hatte. »Sonst sage ich es Mrs. Franken, sobald ich diesen Herbst wieder in die Schule komme.«
    Unter der Staubschicht nahm das Gesicht von Klein Eddie fast denselben
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