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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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ging nun sehr schnell dem Ende zu.

    In der zweiten Novemberwoche kam völlig unerwartet Alissa nach Hause.
    Sie war aus dem Stück ausgestiegen, war fertig mit dem Theater und vorläufig auch mit New York, wie sie ihrem Mann ungestüm eröffnete.
    Er sah bestürzt, daß sie geweint hatte. Ihre Augen waren unnatürlich blank und schienen ihm kleiner als früher. Und ihr Liebreiz schien brüchig, als dränge darunter ein anderes, härteres und kleiner dimensioniertes Gesicht hervor. Arme Alissa! Mit wieviel Hoffnung war sie weggefahren! Doch als Mr. Muir auf sie zuging, um sie tröstend in die Arme zu nehmen, wich sie zurück, mit gerümpfter Nase, als sei ihr sein Geruch zuwider. »Nein, bitte ...«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Ich fühle mich nicht wohl, ich habe nur den einen Wunsch, allein zu sein ... ganz allein ...«
    Sie zog sich in ihr Zimmer zurück und legte sich zu Bett. Mehrere Tage verschanzte sie sich dort, nur eine Hausangestellte durfte zu ihr und natürlich ihre geliebte Miranda, sofern diese sich herabließ, ins Haus zu kommen. (Mr. Muir hatte zu seiner größten Erleichterung festgestellt, daß der weißen Katze von dem gerade erst überstandenen Kampf nichts anzusehen war. Die Kratzer in seinem Gesicht und an seinen Händen heilten nur langsam, Alissa aber schien das in ihrem Kummer, ihrer Versunkenheit gar nicht bemerkt zu haben.)
    Hinter abgeschlossener Zimmertür führte Alice - häufig unter Tränen - eine Reihe von Telefongesprächen mit New York City. Mit Alban sprach sie, soweit Mr. Muir das feststellen konnte (der sich in dieser besonderen Situation zum Mithören genötigt sah) kein einziges Mal.
    Und das bedeutete ... ja - was? Er wußte es beim besten Willen nicht, und Alissa konnte er nicht fragen, denn dann hätte er beichten müssen, daß er gelauscht hatte, und das hätte sie schwer getroffen.
    Mr. Muir schickte Sträußchen mit Herbstblumen in Alissas Krankenstube; kaufte ihr Pralinen und Bonbons, Gedichtbändchen, ein neues Brillantarmband. Mehrmals stellte er sich, noch immer der beflissene Verehrer, vor ihrer Tür ein, aber sie erklärte, sie sei noch nicht bereit, mit ihm zu sprechen. Noch nicht. Ihre Stimme war schrill und hatte einen ganz neuen metallischen Beiklang.
    »Liebst du mich nicht, Alissa?« entfuhr es ihm eines Tages.
    Eine kurze verlegene Pause. Dann: »Natürlich liebe ich dich. Aber bitte geh jetzt und laß mir meine Ruhe.«
    In seiner Sorge um Alissa konnte Mr. Muir neuerdings nie mehr als ein, zwei Stunden hintereinander schlafen, Stunden, in denen ein turbulenter Traum dem anderen folgte. Die weiße Katze! Die grauenvoll erdrückende Last! Fell in seinem Mund! Doch wenn er wach war, dachte er nur an Alissa und daß sie nach Hause, aber nicht zu ihm zurückgekommen war.
    Er lag allein in seinem einsamen Bett, in dem zerwühlten Bettzeug, und weinte leise. Als er sich eines Morgens übers Kinn strich, spürte er Borsten: Er hatte sich tagelang nicht mehr rasiert.
    Von seinem Balkon aus sah er die weiße Katze, sie saß auf der Gartenmauer, putzte sich und wirkte größer, als er sie in Erinnerung hatte. Sie war nach dem Kampf mit ihm völlig wiederhergestellt (sofern sie überhaupt Verletzungen davongetragen hatte; sofern es sich bei der Katze auf der Gartenmauer um eben jene handelte, die in sein Arbeitszimmer eingedrungen war). Das weiße Fell schien in der Sonne Funken zu sprühen, die Augen waren tief in den Höhlen liegende, goldglühende kleine Kohlen. Mr. Muir überkam etwas wie leiser Schreck: Was für ein schönes Geschöpf!
    Doch gleich darauf erkannte er natürlich, was sie war.

    An einem windigen, regnerischen Abend Ende November fuhr Mr. Muir über die schmale asphaltierte Höhenstraße oberhalb des Flusses. Alissa saß schweigend - verstockt schweigend, dachte er - neben ihm. Sie trug einen schwarzen Kaschmirmantel und einen kleinen schwarzen Filzhut, der ihr Haar fast ganz verdeckte, Kleidungsstücke, die Mr. Muir noch nicht kannte und die in ihrer strengen Eleganz die wachsende Entfremdung zwischen ihnen noch zu betonen schienen. Als er ihr in den Wagen geholfen hatte, hatte sie sich leise bedankt, aber in einem Ton, der besagte: »Mußt du mich unbedingt anfassen?« Und Mr. Muir hatte, ohne Hut im Regen stehend, eine spöttische kleine Verbeugung gemacht.
    Und ich habe dich so sehr geliebt.
    Sie schwieg. Das schöne Profil hatte sie von ihm weggewandt, wie gefesselt von dem peitschenden Regen, den aufgewühlten Wogen unter ihnen, den
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