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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung
Autoren: D Koontz
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hinaus auf die Promenade des Einkaufszentrums.
    Hier am Nordende der Green Moon Mall rauschte der zwölf Meter hohe Wasserfall über einen Steilhang aus künstlichen Felsen und ergoss sich in den Bach, der die ganze Promenade entlangströmte. Als ich am Wasserfall vorbeiging, kam mir das Grollen und Platschen wie das Gebrüll einer Menschenmenge vor.
    Muster aus Dunkelheit und Licht. Dunkelheit und Licht wie in Violas Traum. Die Schatten wurden von den Königinpalmen geworfen, die den Bach entlangstanden.
    Durch die Kronen der Palmen blickte ich zur oberen Ebene der Promenade hoch und sah aberhunderte von Bodachs, die sich am Geländer versammelt hatten und in den offenen Lichthof herabschauten. Erregt und gierig drängten sie sich aneinander, zuckend und zappelnd wie nervöse Spinnen.
    Auf der unteren Ebene wimmelte es von Schnäppchenjägern,
die von einem Laden zum anderen strömten, ohne das Publikum aus boshaften Geistern wahrzunehmen, das sie mit derartiger Vorfreude beobachtete.
    Meine wunderbare Gabe, meine verhasste Gabe, meine erschreckende Gabe führte mich die Promenade entlang in südliche Richtung. Immer schneller folgte ich dem murmelnden und gluckernden Bach und hielt dabei hektisch nach Simon Varner Ausschau.
    Nicht hunderte von Bodachs. Tausende. Eine solche Horde hatte ich noch nie gesehen. Ich hatte mir nicht einmal vorstellen können, so etwas je zu sehen. Sie sahen aus wie der Pöbel im alten Rom, der sich in Festtagsstimmung im Kolosseum versammelt hatte, um genüsslich zuzuschauen, wie die Christen unerhörte Gebete in den Himmel riefen, bis die Löwen kamen, bis Blut in den Sand floss.
    Ich hatte mich gefragt, weshalb sie wohl von den Straßen verschwunden waren. Hier war die Antwort. Ihre Stunde war gekommen.
    Als ich an einem Bettwarengeschäft vorbeikam, brach auf der Promenade vor mir das scharfe Knattern einer automatischen Waffe los.
    Die erste Salve war nur kurz. Nach ihrem Ende legte sich zwei, drei Sekunden lang eine unglaubliche Stille über das Einkaufszentrum.
    Hunderte von Menschen schienen gleichzeitig zu erstarren. Obwohl das Wasser des Bachs natürlich nicht zum Stocken kam, schien es lautlos weiterzuströmen. Es hätte mich nicht überrascht, wenn meine Armbanduhr mir einen wundersamen Stillstand der Zeit bestätigt hätte.
    Ein Schrei zerriss die Stille und wurde sofort von vielen weiteren Schreien erwidert. Die Waffe antwortete darauf mit einem längeren Todesknattern als vorher.

    Rücksichtslos drängte ich mich südwärts die Promenade entlang. Was nicht leicht war, weil die in Panik geratene Menge in der Gegenrichtung vor den Schüssen floh. Menschen prallten an mir ab, aber ich blieb auf den Beinen und arbeitete mich der dritten Salve entgegen.

61
    Ich werde nicht alles berichten, was ich gesehen habe. Auf keinen Fall. Das kann ich nicht. Den Toten gebührt ihre Würde, den Verwundeten ihre Privatsphäre und ihren Angehörigen ein wenig Frieden.
    Abgesehen davon weiß ich nun, weshalb aus dem Krieg heimgekehrte Soldaten ihren Familien nur selten ausführlich von ihren Erlebnissen erzählen. Wir, die wir überleben, müssen im Namen derer, die fallen, weiterschreiten, und wenn wir zu eingehend über die Unmenschlichkeit von Mensch gegenüber Mensch nachdenken, die wir gesehen haben, dann können wir einfach nicht weiterschreiten. Beharrlich zu bleiben ist ganz und gar unmöglich, wenn wir es uns nicht erlauben, zu hoffen.
    Die panische Menge wogte an mir vorbei, und ich fand mich zwischen verstreuten Opfern wieder, die alle tot oder verwundet auf dem Boden lagen, weniger, als ich erwartet hatte, aber doch zu viele. Ich sah die blonde Barfrau aus dem Bowlingcenter in ihrer Arbeitsuniform … und drei ihrer Kollegen. Vielleicht waren sie vor der Arbeit zum Mittagessen hierher gekommen.
    Was immer ich bin, ich bin nicht übermenschlich. Ich blute. Ich leide. Das war mehr, als ich verkraften konnte. Das war mein unfreiwilliges Bad im Mala Suerte Lake mal zehn.
    Grausamkeit hat ein menschlich Herz … Schrecken, des Menschen göttliche Gestalt.
    Nicht Shakespeare. William Blake. Auch ein harter Brocken.
Horden von Bodachs waren vom Obergeschoss des Centers herabgekommen. Sie krochen zwischen den Toten und Verwundeten umher.
    Egal, ob ich den Anblick verkraften konnte oder nicht, ich hatte keine andere Wahl, als es zu versuchen. Wenn ich davonlief, konnte ich mich genauso gut an Ort und Stelle umbringen.
    Der Karpfenteich war nicht mehr weit entfernt. Er war von künstlichem
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